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In Seite Südosteuropa:

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Die vom Albanien-Forscher Johann Georg von Hahn (1811–1869) eingeführte Bezeichnung Südosteuropa[1] wurde zeitweilig als Alternative zum (engeren) Balkanbegriff verwendet. In der deutschsprachigen (und Teilen der ausländischen) Forschung hat sich jedoch im Verlauf des 20. Jahrhunderts der weiter gefasste Südosteuropa-Begriff etabliert. Ähnlich wie beim Balkanraum ist auch die Abgrenzung Südosteuropas im Nordwesten, gegenüber Ostmitteleuropa (einem ebenfalls umstrittenen Begriff), problematisch. Es gibt nämlich keine eindeutigen und allseits akzeptierten geographischen oder historischen Trennungslinien. Unter diesen Umständen muss Südosteuropa als Arbeitsbegriff verstanden werden, der entsprechend dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand und -zeitraum zu modifizieren ist.

Der Begriff Südosteuropa gewann insbesondere während des Nationalsozialismus an Bedeutung.[2] Er wurde in der Zwischenkriegszeit von Proponenten der deutschen Ostforschung und Geopolitik als Gegenbegriff zum Balkan eingeführt, der aus Sicht der deutschen Außenpolitik mit negativen und unerwünschten Konnotationen behaftet war. So warnte etwa Franz von Papen in seinen Memoiren vor einer „Balkanisierung Mitteleuropas“. Während der Balkan für eine orientalische Vergangenheit, Desorganisation, politische Instabilität und ein „Völkergewirr“ stand, symbolisierte Südosteuropa dagegen eine „fortschrittliche“ Ordnung unter deutscher Hegemonie, die einen Beitrag zur „Zivilisierung“ und „Europäisierung“ der Region leistete.

Im 1934 erschienenen Aufsatz Der Südostraum in der Konzeption Mitteleuropas (ZfG, Heft 3, 1934, S. 162–164) versucht sich Rupert von Schumacher an einer Abgrenzung Südosteuropas von „Mitteleuropa“, einem anderen geopolitischen Kampfbegriff, der für die Nachfolgestaaten der Habsburger-Monarchie verwendet wurde. Von Schumacher betrachtete „den Raum“ als den einzig stabilen Faktor im Balkan und wies auf den „Doppelcharakter“ von Kroaten und Ungarn hin. Die Balkanvölker seien als „biologisch und politisch unzuverlässige Faktoren“ zu werten.

Dieser Weltanschauung zufolge sollte der „Ergänzungsraum Südosteuropa“ als Lieferant von Rohstoffen und Arbeitskraft sowie als Abnehmer von deutschen Industrie-Erzeugnissen in einen deutsch dominierten „Großwirtschaftsraum Europa“ eingebunden werden. Im Jahr 1940 verkündete die deutsche Presse, dass „der Balkan tot sei“ und „Südosteuropa geboren wurde“ (Tagespost, 2. November 1940).

Die Umschreibung Südosteuropas als „Arbeitsbegriff“ findet sich erstmals in einem Aufsatz des NSDAP-Mitglieds und Begründers der völkischen „Südostforschung“, Fritz Valjavec (Südosteuropa und Balkan, Südostforschung 7, 1942, S. 1). Laut Valjavec liegen die Unterschiede zwischen der Balkan- und Südostforschung darin, dass die Balkanforschung „das Vorhandensein balkanischer Zusammenhänge“ erfordere, dagegen sei „für die Südosteuropaforschung nicht die Einheit Südosteuropas arbeitsmäßige Voraussetzung, sondern die Einheit der Betrachtung des Forschungsganges entsprechend der Tatsache, dass Südosteuropa im heutigen Sinne in erster Linie (nicht ausschließlich!) ein Arbeitsbegriff ist“.

Zwecks Beeinflussung und Ausnutzung der Balkan-Staaten wurde 1940 in Wien von der NS-Bürokratie die Südosteuropa-Gesellschaft (SOEG) gegründet. Sie konkurrierte mit dem Mitteleuropäischen Wirtschaftstag (MWT), einem von deutschen Großbanken und -unternehmen getragenen Verband, der mit wirtschaftlichen Mitteln langfristig eine Abhängigkeit Südosteuropas von Deutschland etablieren wollte.

Anfang der 1940er Jahre wurden Schwierigkeiten bei der Abgrenzung des Begriffes offenbar:

  • Franz Ronneberger tadelte die schwammige und inkonsequente Verwendung des Begriffes durch Autoren wie Hermann Ullmann und Otto Leibrock (Franz Ronneberger: Der Politische Südosteuropa-Begriff. In: Reich, Volksordnung, Lebensraum. Zeitschrift für völkische Verfassung und Verwaltung. Bd. VI, 1943, S. 68–69). Insbesondere Leibrock verwendete in seinem Buch „Der Südosten, Großdeutschland und das Neue Europa“ wahlweise die Begriffe „Donau-Balkanländer“ und „Donau-Balkanraum“ und zog deswegen Ronnebergers Kritik auf sich.
  • Hermann Gross vertrat die Ansicht, dass der Begriff nur auf „relativ dünn besiedelte“ Gebiete mit rückständiger Industrie und unterentwickelter Landwirtschaft anwendbar sei. Dazu zählten seiner Meinung nach Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Jugoslawien, Albanien, Griechenland und die Türkei.
  • Der Diplomat und Südost-Experte Ulrich von Hassell unterschied zwischen den politischen und geographischen Grenzen Südosteuropas. Politisch zählte er Ungarn, Kroatien (NDH), Serbien, Montenegro, Rumänien, Bulgarien und Griechenland dazu, geographisch auch die Slowakei, Albanien und die europäische Türkei. Letztere bedürften jedoch aus politischen Gründen einer besonderen Behandlung (G. Hass und W. Schumann (Hg.): Anatomie der Aggression. Neue Dokumente zu den Kriegszielen des faschistischen deutschen Imperialismus im Zweiten Weltkrieg. Berlin, 1972).
  • Franz Tierfelder bezeichnete das Gebiet südlich der Linie Triest-Odessa als „Südosteuropäische oder Balkan-Halbinsel im weitesten Sinne“. Zu Südosteuropa im engeren Sinne zählte er Jugoslawien, das „rumänische Altreich“ (Rumänien in den Grenzen vor dem Ersten Weltkrieg), Bulgarien, Albanien, Griechenland und die europäische Türkei. Dabei dürfe man nicht außer Acht lassen, dass das nördliche Kroatien „in den mitteleuropäischen Raum hineinrage“. Tierfelder unterschied nach historischen Kriterien zwischen Völkern, die „nur Balkanvölker“ seien (Jugoslawen, Bulgaren, Rumänen, Griechen und Albaner), und jenen, die „auch Balkanvölker“ seien (Ungarn und Türken). Ronneberger kritisierte Tierfelder wegen der Zuordnung von Slowenen und Kroaten zu den Balkanvölkern, diese gehörten seiner Ansicht nach weder geographisch noch geschichtlich-kulturell dazu.
  • Für den Ökonomen Hans-Jürgen Seraphim hing die Definition Südosteuropas vor allem davon ab, ob man den Raum von einem kulturellen, politischen, wirtschaftlichen oder geographischen Standpunkt aus betrachtete. Seraphim vertrat eine wirtschaftliche Sicht und schlug vor, all diejenigen Balkan-Staaten zu Südosteuropa zu zählen, die zu einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Deutschland bereit seien. Die Definition des Südosteuropa-Begriffes müsse gegebenenfalls anhand dieses Kriteriums erweitert werden.

Trotz gegenteiliger Bemühungen um eine Standardisierung des Begriffes gelangte Ronneberger 1943 zu dem Schluss, dass es sich bei Südosteuropa um eine deutsche „Definition des politischen für unseren Zweck“ handele. Da man es bei diesem Raum nicht mit einer „reinen“ und objektiven Wissenschaft, wie etwa der Mathematik oder den Naturwissenschaften, zu tun habe, sondern mit einem überaus politischen Wissenschaftszweig, sei die Zuordnung eines Volkes zu einem bestimmten kulturellen und wirtschaftlichen „Machtkreis“ mit einer politischen Entscheidung verbunden.