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In Seite Positivismus:
"Größten Einfluss hatte der Positivismus als erkenntnistheoretische Option mit der Wende ins 20. Jahrhundert in den Naturwissenschaften. Er kam hier als eigene Position im Streit zwischen Empiristen und der Transzendentalphilosophie auf. Mehr oder weniger offen gingen die meisten Vertreter des klassischen Empirismus von einer materiellen Außenwelt aus, die auf die Sinnesorgane einwirkt und im menschlichen Bewusstsein Erkenntnisprozesse in Gang setzt. Dagegen wandten Vertreter der Transzendentalphilosophie ein, dass wir über „die Dinge an sich“ (die Dinge, bevor wir sie wahrnehmen, so wie sie eigentlich sind) letztlich nichts sagen könnten. Wir sehen nicht, ob sie Materie oder Traum sind. Wir haben nur die Sinneswahrnehmungen. Während sich auf marxistischer Seite der dialektische Materialismus formierte mit einem klaren Bekenntnis zur materiellen Außenwelt als dem Ausgangspunkt aller Prozesse (der Erkenntnisprozesse wie der historischen Prozesse), wandten Vertreter der Transzendentalphilosophien hiergegen ein, dass diese Entscheidung bereits eine Glaubensentscheidung sei. Die Positivisten bezogen in diesem Streit eine radikal empiristische Position, die den Transzendentalphilosophien ihre Kritik zugestand: Wir wissen letztlich nichts über die Außenwelt. Alles, worüber wir verfügen, sind Sinnesdaten. Diese interpretieren wir, wobei sich nun allerdings die Frage stellt, wie wir sie interpretieren.
Die positivistische Antwort auf diese Frage lautet: „denkökonomisch“, das heißt, ohne Instanzen und Wesenheiten unnötig ins Spiel zu bringen. Transzendenz wird damit kein Thema, da sie sich selbst nicht manifestiert. Transzendenz macht es als Annahme schlicht schwierig, Vorhersagen über physikalische und chemische Prozesse zu treffen. Materie oder Energie werden damit jedoch nicht minder neu definiert: Sie sind Konstrukte wie der drei- oder vierdimensionale Raum. Solange sich die Sinnesdaten mit der Annahme einer dreidimensionalen materiellen Außenwelt interpretieren lassen, ist diese das ökonomische Modell – jenes Modell, welches das Arbeiten mit der Datenlage in den Grundannahmen überschaubar hält. Wenn die Datenlage ein anderes Modell erfordert, wählt man dasjenige, mit dem man am besten die Datenlage bewältigen kann; der Wissenschaftler wird dabei keine Faktoren einführen, von denen er nicht sagen kann, wie sie seine Vorhersagen beeinflussen. Er bleibt sparsam mit Grundannahmen, erklärt nur, was an positiv (naturwissenschaftlich) wahrnehmbarer Datenlage zu erfassen ist.
Während der Positivismus sich aus der Perspektive der Religionen als wissenschaftlich ausgerichteter Agnostizismus erweist – als Position der Nichterkenntnis Gottes, gestaltet sich auf der anderen Seite das Verhältnis zum dialektischen Materialismus des Kommunismus spannungsreich. Die von der deutschen Experimentalphysik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts vertretene Position, dass unsere gesamte Erkenntnis lediglich eine praktische Interpretation von Daten sei, wurde von Wladimir Iljitsch Lenin 1908 mit einer Streitschrift gegen den „Empiriokritizismus“ Ernst Machs beantwortet.[1] (Die gesamte Schrift ist eine lange Polemik, die viel dazu beitrug, dass der Positivismus in Osteuropa, insbesondere in Polen, als subversives Theorem Anerkennung fand, das den Materialismus empfindlich traf und doch zur Naturwissenschaft passte.)
Ernst Mach hatte im eigenen Lager der deutschen Physik mehr Einfluss, als ihm geheuer war – er blieb gegenüber der Relativitätstheorie skeptisch. Albert Einstein dankte ihm indes nachträglich für die Theoreme, denen er bei der Formulierung seiner Theorie gefolgt sein will. Die moderne Physik musste, so Einstein damals, bereit sein, sich vom dreidimensionalen Raum wie von ihren Vorstellungen von der Materie zu trennen, wenn wissenschaftliche Daten ein anderes Beschreibungsmodell als das überschaubarere erwiesen. Das denkökonomischere, leichter berechenbare und bessere Prognosen erlaubende Modell war, wie Einstein nachweisen konnte, das einer vierdimensionalen Raumzeit, in der Materie und Energie ineinander überführbar sind. Den Wissenschaften könne es an dieser Stelle nicht um die Frage gehen, was die Wahrheit sei, sie müssten strikt ein Modell entwerfen, das es erlaubt, Vorhersagen über Messergebnisse zu machen; dabei seien sie verpflichtet, das mathematisch einfachste Modell zu wählen.
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