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In Seite Paul Schlesinger:
"Schlesinger prägte mit seinen feuilletonistischen Gerichtsreportagen ein ganzes Genre. Er vermied den Protokollstil ebenso wie die reißerische Kolportage, sondern gestaltete seine Prozessberichte wie Miniaturdramen aus dem Justizalltag, durchsetzt mit Ironie und gelegentlichem Spott. Schlesinger verzichtete dabei bewusst auf den Anspruch der objektiven Darstellung:
Schlesingers Stärke war sein Verständnis für die Schwächen aller am Strafverfahren Beteiligten und seine Skepsis gegenüber dem Strafsystem. Seine Zweifel fasste er 1926 in einem seither immer wieder zitierten Text für die Vossische Zeitung zusammen:
Für die Arbeit der Rechtsanwälte fand Schlesinger ebenso differenzierende Worte wie für die Richter. Unter der Überschrift „Der erschöpfte Richter“ beschrieb er einen Vorsitzenden, der versucht, Streitigkeiten zwischen den Parteien durch Vergleiche zu lösen: „Er ‚vergleicht‘ mit so viel Leidenschaft, wie andere sich beleidigen. Sein Letztes an Güte und Menschenfreundlichkeit muss er hergeben, um das Widerwärtige im Zaum zu halten.“
Zugleich scheute sich Schlesinger nicht, in Einzelfällen personelle Umbesetzungen im Landgericht Berlin-Moabit zu fordern und durchzusetzen, so zum Beispiel 1927 im Zusammenhang mit dem Prozess um die „Steglitzer Schülertragödie“. In zahlreichen Artikeln wandte er sich außerdem gegen die gängige Eidespraxis der Zeit. Es war üblich, die Zeugen grundsätzlich zu vereidigen – auch in einfachen Prozessen, in denen es um Bagatellstraftaten ging. Die Folge waren zahlreiche Meineidsprozesse gegen Menschen, die sich – überfordert von der Situation in der Verhandlung – zu Falschaussagen hinreißen ließen und diese auch noch beeideten. Ihnen drohten Strafen von ein bis zu zehn Jahren. Schlesingers Berichte führten schließlich zu einer Änderung dieser Praxis und zur Herabsetzung des Strafrahmens.
So wurde Schlesinger zum einflussreichsten Gerichtsreporter der 1920er Jahre. Seine Haltung trug ihm den Ruf ein, das „Gewissen von Moabit“ zu sein. Unter dem Titel „Richter und Gerichtete“ erschien schon kurz nach seinem Tod eine Auswahl seiner zwischen 1921 und 1928 erschienenen Reportagen unter seinem bekannten Kürzel Sling. Herausgeber war Robert M. W. Kempner, später Ankläger der USA im Nürnberger Prozess gegen die NS-Kriegsverbrecher. Das Vorwort schrieb der frühere Justizminister Gustav Radbruch. Diese und ähnliche Sammlungen mit Arbeiten Slings wurden später auch in der Bundesrepublik und in der DDR aufgelegt. Heribert Prantl, bei der Süddeutschen Zeitung auf Rechtsthemen spezialisiert, schrieb über Sling: „Seine Prozessberichte waren Miniaturdramen aus dem Justizalltag, durchsetzt mit Spott, Ironie und kluger Belehrung.“[1] Gerhard Mauz, langjähriger Spiegel-Gerichtsreporter, nannte Schlesinger den „einzigen wirklich legendären Gerichtsberichterstatter Deutschlands.“
- Anekdoten, S. 119–155 in: Hermann Sinsheimer, Lion Feuchtwanger, Fritz Cassirer, Paul Schlesinger: An den Wassern von Babylon. Ein fast heiteres Judenbüchlein. München 1920 (online – Internet Archive)
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