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In Seite John Rawls:

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Rawls gilt als wesentlicher Vertreter des egalitären Liberalismus. Als Prämisse seines Werkes setzt er die Gerechtigkeit als maßgebliche Tugend sozialer Institutionen, die aber die Freiheit des Einzelnen nicht verletzen darf:

Die Aufgabe von Gerechtigkeitsgrundsätzen besteht ihm zufolge darin, die Grundstruktur der Gesellschaft festzulegen, d. h. die institutionelle Zuweisung von Rechten und Pflichten und die Verteilung der Güter. Wie aus der Bezeichnung seiner Theorie („Gerechtigkeit als Fairness“) und seinen Überlegungen zur Rechtfertigung ersichtlich wird, ist seine Gerechtigkeitstheorie eine Theorie der „Verfahrensgerechtigkeit“.

Rawls stellt sich dazu die Frage: Für welche Gerechtigkeitsgrundsätze würden sich freie und vernünftige Menschen in einer fairen und gleichen Ausgangssituation in ihrem eigenen Interesse entscheiden? Er argumentiert, dass zwei Grundsätze gewählt würden, deren Inhalt er in letzter Hand – nach einigen Veränderungen und Umarbeitungen gegenüber der ursprünglichen Fassungen – folgendermaßen formuliert:

Der erste Grundsatz hat Vorrang vor dem zweiten. Dasselbe gilt für die beiden Unterpunkte im zweiten Grundsatz: Es ist nicht erlaubt, die Chancengleichheit zu beschneiden, um dem Differenzprinzip mehr Geltung zu verschaffen. In Abgrenzung zum von ihm kritisierten Utilitarismus will er mit diesen Vorrangregeln verhindern, dass zugunsten der Güterverteilung auf Freiheiten verzichtet werden darf.[3]

Hieran macht sich auch ein großer Teil der Kritik an Rawls Thesen fest: In der Praxis ist es nicht außergewöhnlich, dass Menschen zugunsten materieller Güter auf Freiheiten verzichten. Zunächst muss ein Mensch die Grundbedingungen dafür erfüllen, überhaupt seine Freiheit als oberstes Prinzip verteidigen zu wollen: Er muss seine Grundbedürfnisse befriedigt sehen. Der Verhungernde wird eher in die Sklaverei einwilligen als seinen sicheren Tod in Kauf nehmen. Auch demokratische Teilhaberechte und damit Freiheiten im Rawlschen Sinne genießen nicht in jeder Kultur denselben Stellenwert. Zudem sind Menschen beispielsweise wegen körperlicher Einschränkungen auch nicht immer in der Lage, die formal gewährten Freiheiten vollständig auszunutzen.

Rawls stellt die umfassende Doktrin eines säkularen „aufgeklärten Liberalismus“ selbst in die Nähe einer religiöser Doktrin: Es gäbe viele Liberalismen mit verschiedenen auch kulturspezifischen Interpretationen von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit, die auch religiös begründet werden könnten. Auch auf der Basis der Scharia könne eine konstitutionelle Demokratie gegründet werden.[4]

  • Rawls fordert nicht formale Chancengleichheit (gleiches gesetzliches Recht auf vorteilhafte soziale Positionen), sondern faire Chancen (Menschen mit ähnlichen Fähigkeiten sollten ähnliche Lebenschancen haben). Rawls postuliert als Voraussetzung dafür das Vorliegen einer gleichen Motivation. Faulheit verwirkt die Chancen.[5] Dem liegt die Auffassung zu Grunde, dass gesellschaftliche oder natürliche Zufälligkeiten zu unterschiedlichen Möglichkeiten führen, z. B. Ausbildungen, Qualifikationen und damit letztlich höhere Positionen und Ämter zu erreichen. Es muss also ein öffentliches Regelsystem geben, welches sicherstellt, dass alle Menschen mit gleichen Begabungen durch Arbeit gleiche Aufstiegschancen haben, und zwar – dies ist der entscheidende Zusatz – ungeachtet der anfänglichen Stellung in der Gesellschaft. Bezogen auf das Bildungssystem impliziert die formale Chancengleichheit lediglich, dass alle Menschen dasselbe Recht haben, eine Universität zu besuchen; es darf also keine Zugangsbeschränkung für Menschen einer bestimmten Hautfarbe oder eines bestimmten Standes geben. Die faire Chancengleichheit akzentuiert dies, indem gefordert wird, dass bspw. ein Stipendienwesen eingeführt wird, das sicherstellt, dass auch Menschen studieren können, die zwar begabt sind, aber die Studiengebühren nicht bezahlen können. Da Rawls auch in der Verteilung von natürlichen Begabungen noch eine Zufälligkeit der Natur sieht, die der Einzelne nicht verschuldet oder verdient hat, führt er das Differenzprinzip ein.
  • Differenzprinzip anstelle der Pareto-Optimalität oder des Nutzenprinzips des Utilitarismus: Demnach sind gesellschaftliche Ungleichheiten nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit sie auch dem am schlechtesten gestellten Mitglied der Gesellschaft noch zu einem (wenn auch ggf. geringen) „absoluten“ Vorteil gereichen. Erst durch diese Vorkehrung werden auch die weniger Begabten gewissermaßen gegen nicht selbst verschuldete Ungerechtigkeiten versichert.