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In Seite Krimkrieg:
"Österreich war seit 1815 die Vormacht im Deutschen Bund gewesen, jedoch geriet diese Stellung jetzt allmählich ins Wanken. Russland war von Österreich enttäuscht, aber ebenso die Westmächte, die sich unzureichend unterstützt fanden. Diese außenpolitisch geschwächte Position Österreichs sollte sich später im Sardinischen Krieg (1859) und dann im Deutschen Krieg (1866) als verhängnisvoll erweisen. Preußens Beziehung zu Russland hingegen verbesserte sich.
Der Aufwand für die Mobilisierung der Truppen, die zur Machtdemonstration gegenüber Russland entsandt wurden, brachte Österreich an den Rand des finanziellen Ruins. Dies führte zu nachhaltigen Einsparungen in der Armee.[1] Den Krieg von 1866 verlor Österreich nicht zuletzt wegen der zuvor gemachten Einsparungen. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst und Preußen vergrößerte sein Gebiet und seine Macht entscheidend. Der Krimkrieg bahnte somit den Weg zur Kleindeutschen Lösung von 1871 unter preußischer Führung und Preußen kann so gesehen als der einzige Profiteur dieses Krieges gesehen werden.[2]
Heute lässt sich nicht mehr der auf Zeitgenossen zurückgehende Vorwurf aufrechterhalten, Österreich habe haltlos zwischen dem Bundesgenossen der Heiligen Allianz Russland und den Westmächten Großbritannien und Frankreich hin und her geschwankt und dadurch seine spätere politische Isolierung unter den Mächten selbst verschuldet. Die Hauptschritte der unbeirrt auf raschen Kriegsabbruch und Frieden ausgerichteten Politik Österreichs bestanden im Schutz- und Trutzbündnis mit Preußen vom 20. April 1854; in den verschiedenen Aufforderungen an den Deutschen Bund, sich an der österreichischen Politik des allmählichen Abrückens von Russland zu beteiligen und schließlich Truppen für ein gegebenenfalls nötiges Eingreifen in den Krieg bereitzustellen; in der Mobilmachung der eigenen Truppen; in der Aufforderung an Russland vom 3. Juni 1854, die besetzten Donaufürstentümer zu räumen; in der nachfolgenden Besetzung dieser Fürstentümer durch österreichische Truppen; in der Formulierung der Vier Punkte am 8. August 1854, dem gemeinsamen Kriegszielprogramm der beiden Westmächte und Österreichs (internationale Schutzerklärung für die Donaufürstentümer, Freiheit der Donauschifffahrt, Revision des Meerengenvertrags von 1841, Verzicht Russlands auf sein Protektorat über die orthodoxen Christen im Osmanischen Reich); im Allianzvertrag Österreichs mit den Westmächten vom 2. Dezember 1854, der nur augenscheinlich als Kriegsbündnis eingegangen war; und schließlich im österreichischen Ultimatum an Russland vom 16. Dezember 1855, mit dessen Nichtannahme aber gerechnet wurde und das wiederum den Kriegseintritt Österreichs nach sich ziehen sollte.
Österreich wollte sich seine Kriegs- und Friedenspolitik von keiner Seite diktieren lassen. Das Metternichsche Österreich hatte in der Heiligen Allianz die Rolle eines Juniorpartners gespielt. Graf Buol, der Minister des Äußern, suchte, wie zuvor schon sein Vorgänger Schwarzenberg, nach Möglichkeiten, sich in der europäischen Politik aus dem Druck der russischen Vormundschaft zu lösen. Im Verlauf des Krimkriegs kam die Gelegenheit dazu und die wurde von ihm genutzt.
Stärker als die Angst vor einer Übermacht Russlands lastete die Revolutionsfurcht auf der Staatsführung des Vielvölkerstaates. Dies zieht sich im Zusammenhang mit diesem Krieg wie ein roter Faden durch die österreichische Politik. Im Gefolge der Revolutionsjahre 1848/49 bestand zum Beispiel der Belagerungszustand über Wien und Prag noch bis zum September 1853, in den Außenregionen des Reiches, wie Lombardo-Venetien, Galizien und Siebenbürgen, noch bis Mitte/Ende 1854. Die umfangreiche Dienstverpflichtung österreichischer (ungarischer, polnischer) Deserteure von 1848/49 im türkischen Besatzungsheer an der Donaufront gab Anlass zu diplomatischen Vorstellungen bei der Hohen Pforte in Konstantinopel, ebenso wie die Bildung einer anglo-italienischen Legion in Sardinien entsprechende diplomatische Schritte in Richtung Regierungssitz London hervorrief.
Buol und sein Kaiser wussten, dass ein Kriegseintritt entweder auf russischer oder westmächtlicher Seite keine realistische Option war, ohne einen ausufernden Waffengang auszulösen. Sie erkannten auch, dass keine vernünftige Möglichkeit bestand, sich durch eine Neutralitätserklärung ohne Machtverlust aus dem Konflikt herauszuhalten. Es gab für beide nur die sehr beschränkte Option der Gegnerschaft zu Russland – ohne dessen militärischer Feind zu sein – und der Freundschaft mit den Westmächten – ohne deren militärischer Verbündeter zu sein. Der Politik einer drohenden Werbung aller größeren Kriegsparteien hat Österreich sich ausdauernd entziehen können. Die Habsburger Monarchie folgte in ihrer Diplomatie einem Selbsterhaltungstrieb. Die Grenzen Österreichs waren allgemein zu allen Nachbarn gefährdet.
Österreich hat während des Krimkriegs eine konsequente Friedenspolitik geführt. Für diesen Zweck kalkulierte die österreichische Regierung das Risiko eines begrenzten kleineren Krieges (eines militärischen Zusammenstoßes mit Russland in den Donaufürstentümern) ein. Österreich geriet aber in die immer verwickelter werdende Lage, vom Standpunkt einer abwartenden bewaffneten Neutralität her von Russland allmählich abzurücken und sich durch vielfache Bindungen den Westmächten zu nähern. Die Drohung, in den Krieg mit einzutreten, hat Österreich Russland stets fühlen lassen, um es an den Verhandlungstisch zu zwingen. Gleichzeitig machte es den Westmächten Hoffnung auf einen österreichischen Kriegseintritt, um sie auf die gemäßigten österreichischen Kriegsziele zu verpflichten, zögerte ihn aber immer wieder hinaus, um seine Existenzfrage bei einem sich ungebremst ausweitenden Krieg so lange wie möglich zu vermeiden. Österreich ging im Kriegsverlauf von seiner Position Bewaffneter Neutralität ab, ließ an der Grenze zu Russland und den umkämpften Donaufürstentümern starke Truppenkontingente aufmarschieren und betrieb somit eine faktisch antirussische Politik wohlwollender Neutralität gegenüber den Alliierten.
Ein Eintritt auf russischer Seite in den Krieg, wie es 1853 möglich schien, oder auf westmächtlicher Seite, wie es seit 1854 erwartet wurde, hätte absehbar von vornherein einen europäischen Krieg und damit einen Ersten Weltkrieg gebracht, und als Folge davon den erneuten offenen Ausbruch der Revolution gegen die Monarchie, von dem sich das Habsburger Reich noch nicht erholt hatte und welcher ihre Existenz aufs Spiel gesetzt hätte. Diese Gefährdung hat den Handlungsspielraum der österreichischen Politik auf das geringstmögliche Maß – das einer Politik der Deeskalation – eingeschränkt. Der für Österreich gelegte Köder – zunächst russischer-, dann französischerseits – sich in Richtung Süden oder Südosten auszudehnen, wurde als Absicht durchschaut, es in den Krieg hineinzuziehen. Expansionsabsichten im Hinblick auf die angrenzenden osmanischen Gebiete bestanden zwar in Österreich, wurden jedoch von der politischen Führung nicht geteilt. Das Habsburger Reich hat durch seine effektiv verschleierte Diplomatie und auch durch nicht unerhebliche, offen militärische Drohgebärden seinen Bestand noch für viele Jahrzehnte retten können.[3]
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