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In Seite Anästhesie:

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Der Wunsch, Schmerzen zu lindern, ob bei Verletzungen, Krankheiten oder im Rahmen von operativen Eingriffen, ist oftmals erste Triebfeder heilerischen Handelns gewesen. Bereits in der Antike kannten zahlreiche Völker (so beispielsweise die Assyrer, Ägypter, Griechen oder Römer) die schmerzlindernde bzw. betäubende Wirkung von morphinhaltigem Mohn, aus dem auch schon im Altertum Opium (siehe auch Opiumtinktur) gewonnen wurde, den Nachtschattengewächsen Alraune (Mandragora) (Alraunen-Wein bei Plinius um 79 n. Chr. in Rom und zuvor bei dem griechischen, in Rom praktizierenden Arzt Dioskurides, der um 54 n. Chr. ein halbes Glas Mandragora-Wein vor Operationen und Punktionen zur Erzielung einer „Anästhesie“ empfahl) und Bilsenkraut sowie Wasserschierling und etlichen anderen Pflanzen. Das Wort „Anästhesie“ stammt aus dem Altgriechischen. Bei Platon ist um 400 v. Chr. erstmals der Begriff ἀναίσϑητος belegt.[1] Bei rituellen Beschneidungen sollen gemäß Caspar Hofmann[2] die Assyrer zur Herbeiführung von Bewusstlosigkeit und Bewegungslosigkeit, Blutgefäße des Halses abgedrückt haben.[3]

Eine frühe Anwendung von Mohnsaft und anderer Alkaloide zur lokalen Anästhesie am Auge findet sich um 990 bei dem Bagdader Arzt Jesus Haly. Als örtlich betäubend, z. B. als Pflaster aufgebracht, sind seit dem 12. Jahrhundert auch Pfeffer, Bilsenkräuter und die Gemeine Alraune belegt.

Vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit wurden anästhetisch wirkende Pflanzenextrakte nicht nur oral verabreicht oder lokal aufgetragen, sondern besonders zur Linderung des Operationsschmerzes inhaliert und über die Schleimhäute von Nase, Mund und Rachenraum aufgenommen. Hierzu wurde ein Schwamm mit den Pflanzenextrakten (meist als Mischung mehrerer Pflanzenarten) benetzt, getrocknet und bei Bedarf mit heißem Wasser befeuchtet und dem Patienten auf Mund und Nase gelegt (spongia somnifera).[4][5] Diese vom 9. bis ins 16. Jahrhundert[6] beschriebene Anwendung von mit Narkotika (Verwendung fanden bei Heinrich von Pfalzpaint beispielsweise Opium, Bilsenkraut, Alraune, unreife Maulbeeren, eventuell Tollkirsche, Schierling, Efeu, Gartenlattichsamen und Kellerhalskörner)[7] getränkten Schlafschwämmen[8] war, neben dem schnellen Operieren, vom 11. Jahrhundert bis ins Spätmittelalter, vereinzelt bis in die frühe Neuzeit, eine der wenigen gebräuchlichen und zugleich wirksamen Methoden, den Operationsschmerz zu begrenzen, wurde jedoch – wohl wegen schwerer Zwischenfälle – bis Mitte des 19. Jahrhunderts wieder verlassen.[9][10][11] Doch auch narkotisch wirkende Tränke wurden verabreicht – zum Beispiel nach einem im 14. Jahrhundert von dem Straßburger Wundarzt Johann von Molsheim verfassten, unter Verwendung von Schlafmohn und knolligen Pilzmyzelen zuzubereitenden Rezept, das auch im 15. Jahrhundert noch von dem Chirurgen Johann Schenck von Würzburg überliefert wurde.[12] Frühe Methoden der örtlich begrenzten Schmerzausschaltung bzw. -linderung waren auch die Anwendung einer kurzfristigen Nervenkompression (Anästhesie oder Hypästhesie durch Kompression der Nervenstämme bzw. der versorgenden Nerven und Gefäße bei Ambroise Paré um 1564 und bei dem Italiener Valverdi um 1600) als eine Art von Leitungsanästhesie. Eine Betäubung durch Kompression der Halsgefäße erfolgte bereits bei den alten Assyrern. Auch der englische Arzt Fleming empfahl gegen Ende des 19. Jahrhunderts diese Methode. Zudem berichtete Steiner um 1900 über 25 erfolgreich zur Ausschaltung der Schmerzempfindung durchgeführte Kompressionen der Arteria carotis communis („Arteria soporifica“) bei Patienten in Java.[13] Angewendet wird seit längerer Zeit auch Kälte (1646 bei Marco Aurelio Severino, der Packungen mit Schnee und Eis zur Erzielung einer Lokalanästhesie beschreibt[14]), wie sie ähnlich wieder 1942 von Frederick M. Allen in New York als Eis- bzw. Kälteanästhesie für Amputationen vorgeschlagen wurde.[15]

Mittels Alkohol-Zufuhr als Getränk zur Erreichung eines Alkoholrausches wurde immer wieder versucht, chirurgische Eingriffe, das Einrenken luxierter Gelenke oder sogar Geburten[16] erträglicher zu machen. Eine Schmerzlosigkeit wäre jedoch, wie bereits Lallemand und Perrin 1860[17] zeigten, nur mit so hohen Dosierungen erreichbar, die mit einer Alkoholvergiftung (Intoxikation) verbunden ist. Zur Erzielung von Bewusstlosigkeit hatte der Chirurg Wardrop 1823[18] einen (extremen) Aderlass empfohlen, wie er ihn bei einer Patientin, der er einen Tumor an der Stirn entfernen wollte, durchgeführt hat.[19]

Das griechische Wort für Anästhesie wurde bereits von Platon, jedoch im philosophischen Sinne, benutzt. Dioskurides bezeichnete damit die Wirkung der Pflanze Mandragora (Alraune). In der Neuzeit erstmals für die Äthernarkose gebraucht wird das Wort im Englischen von Oliver Wendell Holmes in einem Brief an W. T. G. Morton (s. u.).

1804 hatte der japanische Chirurg Hanaoka Seishū eine Operation durchgeführt, bei der er ein als Mafutsusan bezeichnetes und auf den Wirkstoffen Scopolamin, Hyoscyamin/Atropin, Aconitin und Angelicotoxin beruhendes Anästhetikum benutzte.[20] Die japanische Politik des sakoku verhinderte aber ihr Bekanntwerden im Westen.

Mit der Entdeckung der Gase Kohlendioxid, Sauerstoff (Joseph Priestley, 1771) und Lachgas (Joseph Priestley, 1772) begann eine neue Ära in der Geschichte der Anästhesie.[21] Nach der Entdeckung des Sauerstoffs begannen ab 1774 die so genannten „Pneumatiker“ – Mediziner, aber auch Künstler und Schriftsteller wie Samuel Taylor Coleridge und William Wordsworth – die medizinischen und bewusstseinsverändernden Wirkungen verschiedener Gase zu testen. Im Jahr 1800 veröffentlichte Humphry Davy das in Selbstversuchen festgestellte Ergebnis, dass das Einatmen von Lachgas (N2O) euphorisierend wirkt und das Schmerzempfinden aufhebt.[22] Er schlug in dieser viel beachteten Publikation[23] vor, dieses bei chirurgischen Operationen einzusetzen.

In der Folge gelangten mehrere Male Vorschläge an die medizinischen Gesellschaften in London und Paris, die Anästhesie mittels Inhalation verschiedener Gase zu prüfen. Die Gesellschaften lehnten ab – so auch 1824 die britische Royal Society, deren Präsident unterdessen Humphry Davy war. Die Ablehnung hatte vielfältige Gründe. Einerseits war umstritten, welche Funktion der Schmerz hat und ob eine Ausschaltung des Schmerzes überhaupt wünschenswert sei.[24] Die Schmerzensäußerungen dienten den Chirurgen insbesondere als Wegweiser während der Operation. Weiter lehnten es viele Chirurgen ab, den durch die Operation enorm belasteten Organismus noch weiter zu belasten. Die Gasinhalation hatte zudem den Ruch des Unseriösen. Lachgas war seinerzeit in den städtischen Oberschichten als Partydroge durchaus bekannt.

Sie hatte im Operationssaal nichts verloren. Selbst nach 1846, als die Inhalationsanästhesie sich akademische Anerkennung zu schaffen begann, äußerten mehrere Mediziner ihr Befremden darüber, dass Patientinnen im Narkoserausch unsittliche Träume hätten. Die Meinung des französischen Chirurgen Alfred Armand Velpeau, den Schmerz durch künstliche Methoden zu verhindern sei eine Schimäre, wurde in (europäischen) akademischen Kreisen kaum mehr unterstützt, und wer Vorstöße in diese Richtung unternahm, setzte sich dem Risiko aus, seinem wissenschaftlichen Ruf zu schaden.