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In Seite Wirtschaftsethik:

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Ulrichs Kritik an Homann stellt eine Verkürzung dessen Theorie dar. Homann ist keinesfalls der Ansicht, dass die Moral nur in der Rahmenbedingung liege. Auch in Homanns Konzept bleibt den Unternehmen Raum für moralisches Handeln. Dies ergibt sich aus der prinzipiell unvollkommenen Rahmenordnung. Nur im gedachten Idealfall kann die Rahmenordnung die Individuen vollständig von moralischen Anforderungen entlasten. Die Unvollkommenheit der Rahmenordnung bezieht sich dabei allerdings nicht allein auf „noch nicht geregeltes“. Es können auch gültige und anerkannte Gesetze etwa in ihrer Durchsetzung zu kostspielig sein.[1]

Auch Ulrich fordert (im Bewusstsein der Unvollkommenheit) die Rahmenordnung zur Moralentlastung (nicht -befreiung!) der Individuen. Worin besteht also der grundsätzliche Unterschied zwischen Homanns und Ulrichs Konzeption?

Bei Homann findet an entscheidender Stelle ein Reflexionsabbruch statt. Zwar sollen Unternehmen (bzw. Unternehmer!) die Rahmenordnung einer kritischen Reflexion unterziehen, um so die Defizite zu erkennen, und diese durch individuelle moralische Bemühungen zu kompensieren. Allerdings endet bei Homann die Pflicht der Reflexion unmittelbar vor dem neoliberalen Paradigma der Gewinnmaximierung von Unternehmen und der nun nicht mehr zu hinterfragenden Prämisse, der Markt sei der beste Ort der Handlungskoordination in der Gesellschaft: Langfristige Gewinnmaximierung wird zur „sittlichen Pflicht der Unternehmen“.[2] Abgesehen von der Trivialität, dass die Quantität der Gewinne nicht von der ethischen Qualität ihrer Realisierung abzulösen ist,[3] findet bei Homann keine Auseinandersetzung mit der Frage statt, in welchen Bereichen das Prinzip der Marktkoordination tatsächlich die beste Lösung ist. Homanns auf – nach dieser Ansicht – neoliberalen Prämissen basierender wirtschaftsethischer Ansatz greift insofern zu kurz.

Nach einer anderen Lesart ist die Beobachtung von Ulrich, Homann reduziere Legitimation systematisch auf Pareto-Verbesserungen (nicht: -Effizienz), durchaus richtig.[4] Denn Homann nimmt an,[5] dass Werte oder Universalien wie „Legitimität“, „Gerechtigkeit“, (Willens-) „Freiheit“ oder „das Gute“ nicht etwa real existieren und erkannt werden könnten, sondern dass Menschen sich diese Wörter lediglich als Instrumente bzw. als Heuristik[6] zur Lösung realweltlicher Probleme ausgedacht haben.[7] Da alle realweltlichen Probleme aus Sicht der Betroffenen letztlich Kostenprobleme darstellen, dürften sich „Werte“, die nicht auf das Kosten-Nutzen-Kalkül von Menschen zurückgeführt werden könnten, zur Lösung solcher Probleme regelmäßig als unzweckmäßig erweisen.[8] Folglich haben Werte für Homann „grundsätzlich hypothetischen Charakter[9] (d. h., sie können getestet und falsifiziert werden), womit „die dogmatische Vorstellung von der sakrosankten Werte-Welt […] endgültig zerstört“ sei.[10] Es sei die Aufgabe einer neuen „Wertewissenschaft“,[11] dysfunktionale Werte funktional umzudefinieren, um sie aus Sicht aller Menschen, denen eine solche Wertewissenschaft sie empfehlen würde, wertvoller zu machen.[12] Ulrich argumentiert dagegen, dies sei zwar schlüssig gedacht, aber keine „Ethik“, weil „moralfrei“.[13]

Viel Verwirrung scheint der unterschiedliche Gebrauch des Normativitätsbegriffs in beiden Schulen zu stiften. Zur Unterscheidung: Ulrich möchte gern Handlungen oder Zustände anhand eines diskursethisch letztbegründeten „moral point of view“[14] beurteilen, während Homann in der Tradition des Kritischen Rationalismus Letztbegründungen für unmöglich oder unwahrscheinlich hält. Deshalb ist es ein methodologisches Missverständnis, wenn Homanns sogenannte „neoliberale Prämissen“ als „Reflexionsabbruch“[15] gedeutet werden.[16] Denn bei diesen „Prämissen“ handelt es sich lediglich um technische Modellannahmen, die man auch anders treffen könnte, wenn man denn meint, damit zu empirisch-praktisch relevanteren Ergebnissen kommen zu können. In der Homann-Schule wird also versucht, eine rein hypothetische Normativität in Form neuer Begriffe und Nominaldefinitionen zu produzieren, welche sich auf die Praxis Pareto-superior auswirken „sollen“. Das bedeutet nicht, dass dies im Ulrich-Sinne deontologisch „gesollt“ sei, denn eine aus irgendetwas (bei Ulrich und K. O. Apel: aus der Fähigkeit des Menschen, zu sprechen) letzbegründete „moralische Pflicht“ existiert ja aus Homanns vertragstheoretischer Perspektive gar nicht (oder kann nicht erkannt werden, selbst wenn sie existierte).[17] Folglich nennt Homann den Ansatz – nach dieser Lesart – ökonomische „Ethik“ nicht etwa deshalb, weil es ihm dabei um die Begründung moralischer Pflichten (im Sinne einer deontologisch angelegten Ethik) ginge, sondern weil es ihm dabei um die semantische Ausrichtung sozialwissenschaftlicher Theoriebildung auf die Entdeckung wechselseitiger Besserstellungspotentiale (im Sinne einer vertragstheoretisch angelegten Ethik) geht.

Michael Aßländer und Hans G. Nutzinger weisen auf die Problematik zweier an sich weiterführender Überlegungen Homanns hin: Seine Betonung adäquater Ordnungs- und Anreizstrukturen für die (empirische) Gültigkeit moralischer Normen ist ein wichtiger ordnungspolitischer Gestaltungshinweis, der aber theoretisch und praktisch überzogen wird, wenn die Richtigkeit einer Moral nur an die Möglichkeit ihrer Implementierung und die Wahrscheinlichkeit ihrer Durchsetzung geknüpft wird, denn dann würde ja im Umkehrschluss gelten, dass „jede Moral, solange sie nur durchsetzbar ist, per se legitimiert [wäre], also auch die einer Mafia.“[18] Zudem heben sie hervor, dass die von Homann vorgenommene Ausweitung des Vorteilsbegriffs zwar zu Erkenntnisgewinnen in zuvor nicht analysierten, scheinbar „außerwirtschaftlichen“ Problemkontexten führen kann, dass sie aber andererseits die von Homann nicht thematisierte Gefahr der unzulässigen Verallgemeinerung, des Verlustes an begrifflicher Schärfe und damit der Tautologisierung heraufbeschwört.[19]

Weitere wichtige Ansätze der Wirtschaftsethik im deutschsprachigen Raum stammen von Peter Koslowski, Josef Wieland, Bernward Gesang sowie Horst Steinmann und Albert Löhr.