Citation Hunt

Das unten stehende Wikipedia-Snippet wird von keiner verlässlichen Quelle unterstützt. Kannst du eine finden?

Klicke auf Verstanden!, um zu Wikipedia zu gehen und das Snippet zu reparieren, oder Nächstes!, um ein anderes zu sehen. Viel Glück!

In Seite Ferdinand Sauerbruch:

"

Sauerbruch war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Chirurgen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Schüler besetzten zahlreiche chirurgische Lehrstühle in Deutschland und dem Ausland. Zu seinen bedeutendsten Schülern zählen neben seinem Freund Emil Karl Frey, der Oberarzt bei Sauerbruch war und später Inhaber des Münchner Lehrstuhls für Chirurgie wurde, unter anderem der Schweizer Alfred Brunner, der in Zürich und München Sauerbruchs Schüler war, Max Lebsche, der unter Sauerbruch in München die Poliklinik leitete und später eine Privatklinik eröffnete, Rudolf Nissen, der 1933 in die Türkei emigrierte und später auch ein angesehener Chirurg in New York und Basel wurde, Hermann Krauß (Leiter der chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses in Göppingen und Professor in Freiburg), Wilhelm Fick (bis 1937 Oberarzt bei Sauerbruch, dann Chefarzt des Rudolf-Virchow-Krankenhauses und später einer Münchener Privatklinik), Oskar Uebelhoer (* 1898, 1923 bis 1937 bei Sauerbruch und 1937 bis 1963 Chefarzt des Krankenhauses in der Parkstraße 7 in Geislingen an der Steige),[1] Wilhelm Jehn (Schüler Sauerbruchs in München und später Chefarzt und Vorgänger von Albert Lezius in Mainz) und sein Nachfolger an der Charité, der Chirurgieprofessor Willi Felix.[2] Sauerbruchs Klinik wurde von ausländischen Chirurgen reichlich frequentiert.

Berühmt war Sauerbruch bereits im Jahr 1905 durch die Einführung eines Verfahrens geworden, das die operative Öffnung des Brustkorbes erlaubte. Normalerweise bedingt eine Öffnung des Brustraumes, dass sich Luft im Brustfellraum ansammelt und dadurch den dort herrschenden Unterdruck aufhebt: die Lunge fällt zusammen (Pneumothorax). Um dies zu verhindern, hatte er eine spezielle „pneumatische Kammer“[3]:S. 96–100: Zeugnis für Sauerbruch, ausgestellt von Prof. Dr. Kausch am 25. Juli 1905 erfunden. Mit seinem Chef, dem Geheimrat Johann von Mikulicz konstruierte Sauerbruch, nachdem er einige Wochen zuvor eigenständig und insgeheim derartige Versuche in über 70 Tierexperimenten (zuerst am Hund „Cäsar“) durchgeführt hatte und ein kleiner Streit mit Mikulicz mit Hilfe von Wilhelm Anschütz beigelegt war, 1904 eine große Kammer, in der ein Unterdruck von etwa hundert hPa herrschte; darin konnten Operationen im Brustkorb unter Unterdruckverhältnissen stattfinden. Diese Unterdruckkammer ist ein Vorläufer der Eisernen Lunge. Eine kleinere Unterdruckkammer (ein Holzkasten von zwei Kubikmetern Inhalt) zur Operation an Tieren hatten Sauerbruch[4] und Mikulicz anlässlich eines Internationalen Chirurgenkongresses in Berlin am 6. April 1904 vorgestellt. Die große, welche Mikulicz daraufhin in Breslau hatte anfertigen lassen, fasste 14 Kubikmeter und war für Operationen am Menschen gedacht. Der erste Mensch, den Mikulicz nach dreizehn erfolgreichen Brustkorböffnungen an Hunden in dieser Kammer operierte, war eine Frau mit Speiseröhrenkrebs, die jedoch, da der Unterdruck in der Kammer entwich, während des Eingriffs starb. Der nächste Eingriff, den Mikulicz in seiner Privatklinik mit Sauerbruchs Unterdruckkammer unternahm, war eine Tumorentfernung unterhalb des Brustbeins bei einer vierzigjährigen Patientin. Die Operation mit weiter Öffnung des Brustkorbs wurde diesmal überlebt und es schlossen sich bald weitere thoraxchirurgische Eingriffe an Menschen unter Benutzung der Unterdruckkammer an; meist war dabei Mikulicz Operateur. Sauerbruch selbst führte seine erste Operation dieser Art 1905 bei einer an Brustkrebs erkrankten Frau, die bereits operiert worden war, aber erneut einen Tumor hatte, der mit einer Rippe verwachsen war.[3]:S. 52–81 und 166 Auch als Ordinarius in Zürich wandte Sauerbruch sein Druckdifferenzverfahren ab 1910 erfolgreich bei Patienten an. Zeugen dieser Operationen waren etwa Lungenspezialisten aus Davos, Davos-Wolfgang und weiteren Schweizer Tuberkulosezentren, darunter auch Karl Turban und Theodor Kocher mit seinen Söhnen (ein Chirurg und ein Internist).[3]:S. 133 Im Herbst 1913 demonstrierte Sauerbruch beim Internationalen Chirurgen-Kongress in London seine „Kammer“ und hielt einen Vortrag Über die physiologischen und physikalischen Grundlagen bei Intrathorakalen Eingriffen in meiner pneumatischen Operationskammer.[3]:S. 166 f.

Um Lungen, etwa von Tuberkulosekranken, möglichst ohne große Bewegungen im Brustkorb operieren zu können, lähmte Sauerbruch deren Zwerchfell. (Eine Zwerchfelllähmung durch Durchtrennung des Phrenicus-Nerven war zuvor nur im Tierexperiment um 1903 erfolgt.) Waren die Lungen schon zu stark verwachsen, entfernte er Teile der Rippen, um einen therapeutischen (künstlichen) Pneumothorax erzeugen zu können. Mit Emil Karl Frey hatte Sauerbruch in München neben weiteren chirurgischen Instrumenten für die Lungenchirurgie auch ein spezielles Instrument für die Entfernung der anatomisch schwer zugänglichen ersten Rippe erfunden. In Zürich entwickelte er seine Methode des Intercostalschnitts, den „Zwischenrippen-Schnitt“ zur Thorakotomie.[3]:S. 136, 138 f. und 145 f. Auch in die Herz-, Magen- und Speiseröhrenchirurgie brachte Sauerbruch bedeutende Verbesserungen ein. Zu seiner Münchner Zeit (1918 bis 1928) hatte er bereits eine Herzoperation mit Hilfe des Druckdifferenzverfahrens durchgeführt.[3]:S. 271–275 1934 gelang ihm die erste Herzaneurysmaoperation.[5] In London berichtete Sauerbruch 1937 über das Gebiet der Herzchirurgie. Im Jahr 1911 war Sauerbruchs Technik der Thoraxchirurgie erschienen, die in den folgenden Auflagen Chirurgie der Brustorgane hieß (1920–1925, zweibändig) und ab 1937 als Thoracic surgery auch in englischer Sprache verlegt wurde.

Das Druckdifferenzverfahren Sauerbruchs wurde von Ludolph Brauer so verändert, dass nicht außen ein Unterdruck erzeugt, sondern die Lunge mit geringem Überdruck von innen stabilisiert wurde (CPAP-Beatmung). In Breslau hatten Sauerbruch und Mikulicz bereits dahingehende Versuche durchgeführt. 1951 schrieb er bzw. Hans Rudolf Berndorff: „Beide Verfahren lagen auf derselben Ebene. Ob Unter- oder Überdruck war gleichgültig“.[3]:S. 105 Die Verbreitung der zu seinem Druckdifferenzverfahren in Konkurrenz stehenden endotrachealen Intubation mit mechanischer Beatmung wurde durch Sauerbruchs ablehnende Haltung gegenüber diesem alternativen Verfahren und seinen Einfluss in den nationalsozialistischen Regierungskreisen in Deutschland verhindert und somit die Entwicklung der modernen Anästhesiologie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges behindert. (In den USA war bereits um 1908 die Möglichkeit der intratrachealen Druckerhöhung für die Thoraxchirurgie erwogen worden.[6])

Ferner entwickelte Sauerbruch, nachdem er sich ab 1915 intensiv mit der Geschichte und den Grundlagen von Extremitätenprothesen beschäftigt hatte, eine Unterarmprothese (den sogenannten Sauerbruch-Arm), bei der ein Kanal durch die Oberarmmuskulatur gelegt wurde.[7] Stodola, der mit Sauerbruch verschiedene Handprothesen anfertigte, hatte Sauerbruch zuvor angeregt, die am Amputationsstumpf vorhandenen Muskeln als Kraftquelle für willkürlich bewegbare Prothesen, wie sie erstmals der chirurgische Techniker und Zahnarzt Peter Baliff entwickelt hatte, zu nutzen. Auch im Tagebuch des Chirurgen Dominique Jean Larrey stieß Sauerbruch auf diese Idee zur Realisierung einer „künstlichen Hand“. Die Prothese hatte einen Bolzen aus Elfenbein, der durch diesen Kanal geführt wurde. Auf diese Weise wollte Sauerbruch die noch vorhandenen Bewegungsreflexe für die Handhabung des Unterarmes der Prothese nutzen.[3]:S. 184–193 Er verwendete dabei die von Jacob Hüfner entwickelte Hand. Vielen kriegsverletzten Soldaten half der „Sauerbruch-Arm“, obwohl sich als problematisch erwies, dass im Kanal häufig Entzündungen auftraten. Prominente Träger waren Hanno Hahn, der Sohn Otto Hahns, Erich Ludendorff und der bereits erwähnte Claus von Stauffenberg, eine der Hauptpersonen des militärischen Widerstands gegen Hitler. Stauffenberg erhielt jedoch eine andere als die von Sauerbruch entwickelte Prothese.[8]

Zu Sauerbruchs Patienten gehörte der im Februar 2013 verstorbene Kunstmaler und Bildhauer Hubert Weber, der im Krieg beide Hände verloren hatte. Er wurde innerhalb eines Jahres zehnmal operiert, wobei Sauerbruch alle wichtigen Operationen selbst ausführte. Dabei wurde der linke Oberarm auf einer Länge von 17 cm mit dem halben Schienbein überspannt. Eine erfolgreiche Überspannung in dieser Größenordnung war zur damaligen Zeit eine einmalige Leistung. Nachdem zuerst der rechte Arm so weit wiederhergestellt war, dass Hubert Weber eine willkürlich bewegliche Sauerbruch-Prothese tragen und bedienen konnte, begann er zu zeichnen. Sauerbruch war von seinen Federzeichnungen beeindruckt und nahm seinen Patienten häufig mit in den Hörsaal, wo er ihn seine neu erworbenen Fähigkeiten demonstrieren ließ. Als der noch schwerer verletzte linke Arm wieder so weit hergestellt war, dass Hubert Weber auch links eine willkürlich bewegliche Sauerbruch-Prothese tragen konnte, begleitete er Sauerbruch auf Kongresse, um dort seine Bewegungsmöglichkeiten mit den neuen Händen zu demonstrieren. Sauerbruch erkannte das Talent und auch die Beharrlichkeit Hubert Webers und riet ihm, die Kunst zu seinem Beruf zu machen. Mit Sauerbruchs Hilfe konnte Weber bereits während der Heilung an der Reimannschule in Berlin einen Einführungskurs als Vorbereitung für sein späteres Kunststudium absolvieren. Nach seiner Entlassung aus der Charité fertigte Hubert Weber ein erstes Porträt von Sauerbruch an und überreichte es ihm im Hörsaal.[9]

Sauerbruch führte in München bei einem jungen Mann mit bösartigem Tumor des Oberschenkelknochens erstmals die nach ihm benannte Umkippplastik durch, indem er den befallenen Knochenabschnitt entfernte und durch Unterschenkelknochen ersetzte. Damit wurde seinem Patienten ermöglicht, eine Unterschenkelprothese zu erhalten, statt das gesamte Bein amputieren zu lassen. Anschließend operierte er ein dreizehnjähriges Mädchen mit dieser neuen Methode.[3]:S. 275–279[10]

Häufig wurde Sauerbruch auch aufgesucht, um Kinder aus Schlesien mit „Wasserkopf“ zu untersuchen. Diese behandelte er durch mehrfache Punktionen zum Ablassen von Hirn-Rückenmarkflüssigkeit.[3]:S. 82 f. Um 1925 führte Sauerbruch in München auch die Entfernung eines Hirntumors bei einer Patientin mit Epilepsie durch. Somit war Sauerbuch nicht nur ein Pionier auf dem Gebiet der Thoraxchirurgie, sondern auch einer der Wegbereiter der Hirnchirurgie bzw. Chirurgie der Schädelhöhle.[3]:S. 301–304 und 457

Darüber hinaus beschrieb Sauerbruch als einer der ersten Mediziner akuten Stress als Auslöser des Morbus Basedow, einer autoimmunen Form der Schilddrüsenüberfunktion, mit der Sauerbruch sich seit seiner Zeit in Breslau, wie vor ihm schon sein Chef Mikulicz, eingehend beschäftigt hatte.[3]:S. 83 f. Während seiner Tätigkeit als Militärarzt im Ersten Weltkrieg war ihm das ungewöhnlich häufige Auftreten dieser Erkrankung bei Soldaten nach extremen psychischen Belastungen aufgefallen.

Die Einführung der von Gerhard Domagk entwickelten Sulfonamide in die chirurgische Praxis, insbesondere bei der Gasbrandbehandlung, versuchte Sauerbruch mit seiner ganzen Autorität zu verhindern. Er mit Martin Kirschner (1879-1942) gehörten unter den Chirurgen zu ihren profiliertesten Gegnern. Sie befürchteten, dass die chirurgische Wundausschneidung, eine Kernkompetenz der Chirurgie, vernachlässigt werde, wenn Wundinfektionen mit Sulfonamiden behandelt würden. Noch auf der Arbeitstagung Ost der Beratenden Chirurgen vom Mai 1942 prangerte er – mit Blick auf die Befürworter einer Sulfonamidhandlung – „die Primitivität der Anschauungen über Wundheilung“ an. Es wurde damals beschlossen, dass Hans Killian mit Domagk „weitere kritische Zusammenarbeit […] betreiben“ solle.[11] Auf dem „Kameradschaftsabend“ der 3. Arbeitstagung der Beratenden Chirurgen im Mai 1943, auf der Karl Gebhardt und Fritz Fischer die negativen Ergebnisse der Menschenversuche mit Sulfonamiden vortrugen, wozu Sauerbruch geschwiegen hatte, soll Sauerbruch von einem „Sulfonamidrausch“ gesprochen haben.[12] Dennoch wurden bis dahin und darüber hinaus im Zweiten Weltkrieg an der Front Sulfonamide zur Wundbehandlung in großen Mengen eingesetzt. Domagk berichtet kurz vor seinem Tod von zwei Begegnungen in den 1930er und 1940er Jahren mit Sauerbruch, in denen dieser sich herablassend und ignorant bezüglich der Sulfonamidbehandlung geäußert habe.[13] Den Siegeszug der Sulfonamide bzw. der frühen Antibiotika und damit ihren Einzug in die chirurgische Praxis hat Sauerbruch nicht verhindern können.