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In Seite Entlassungskandidat:

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In den letzten 150 Tagen hatten fast alle EK ein sogenanntes Bandmaß. Täglich nach Dienstschluss wurde ein Zentimeter (= Tag) vom Bandmaß abgeschnitten, so dass dessen Länge immer die verbleibende Wehrdienstzeit anzeigte. Es handelte sich um ein textiles Schneider-Maßband mit Zentimeter-Einteilung von 150 cm Länge, auf dem verschiedene Tage farbig markiert wurden. Sonntage waren beispielsweise – da meist dienstfrei – rot ausgemalt, Sonnabende zur Hälfte rot, Montage blau, die bei der Armee verbrachten Lebensjahre schwarz, die 133 (die damalige Postleitzahl von Schwedt/Oder, dem Sitz des Militärgefängnisses Schwedt) mit einem schwarzen Gitter versehen. Die letzten 10 Tage waren ebenfalls manchmal schwarz angemalt.

Das Bandmaß trug der Entlassungskandidat in einem selbst angefertigten Behälter bei sich. Der Bau eines originellen Bandmaßbehälters erforderte handwerkliches Geschick und war, wie die Bemalung des Bandes und dessen Anschnitt am 150. Tag vor der Entlassung, stark ritualisiert. Das Band wurde, beginnend bei Zentimeter 1 an einer Achse, etwa an einem zu einer Kurbel gebogenen Splint, befestigt, aufgewickelt und in den Bandmaßbehälter eingesetzt. Das äußere Bandende wurde mit einer Klammer oder Sicherheitsnadel fixiert, an welcher oft ein Glöckchen angebracht war. Der Goldzahn (halbrundes Messingteil am Beginn des Maßbandes) wurde nach dem Anschnitt aufgehoben und z. B. mithilfe eines kleinen Schlüsselringes an der Armbanduhr getragen. Verschiedentlich wurde auch das Bandmaß durch Lackieren mit Spannlack als elastische Spirale ohne Behälter aufbereitet; diese Form ließ sich schnippen (kurz ausrollen) und lief von selbst wieder zusammen.

Bei verschiedenen Anlässen, insbesondere bei Aufforderungen zu unbeliebten Tätigkeiten oder gegenüber den unteren Diensthalbjahren, wurde das Bandmaß symbolisch entrollt. Ab 50 Tagen vor Dienstzeitende wurde das Band offen ohne Behälter getragen und der Behälter unter Umständen einem bevorzugten „Zwischenkeim“ zur Weiterverwendung übereignet. Lediglich vor Offizieren war eine gewisse Vorsicht geboten, da dieses Bandmaß als illegitimes Symbol auch beschlagnahmt wurde. Dies war das Peinlichste, was einem EK passieren konnte.

Die EKs hatten oft zwei Maßbänder: das Dienst-Bandmaß und das Ausgangsbandmaß. Das erstere war etwas einfacher ausgeführt und wurde im Alltag mit sich geführt. Die von ihm abgeschnittenen Tage (Schnipsel) trug man ebenso bei sich; sie wurden bei Bedarf verstreut, z. B. einem Spritzer vor die Füße geworfen. Das Ausgangsbandmaß war handwerklich etwas anspruchsvoller gestaltet. Es wurde im Urlaub und im Ausgang getragen. Seine Tage (Schnipsel) wurden oft in Briefen nach Hause geschickt und von der Freundin oder den Eltern gesammelt. Die Angehörigen klebten die Tage manchmal auf eine Sektflasche, welche nach der Entlassung „geköpft“ und dann gemeinsam mit dem „Heimi“ getrunken wurde.

Nur wenige EKs besaßen kein eigenes Bandmaß. Ein Grund konnte Protest gegen die EK-„Bewegung“ sein.

Es gab verschiedene Bräuche rund um das Bandmaß, ihre Ausprägung und Durchsetzung variierte von Einheit zu Einheit. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier genannt:

  • Der Anschnitt am 150. Tag wurde in der Regel feierlich begangen. Zum Beispiel wurde der Anschnitt von einem unteren Diensthalbjahr, gekleidet in langer Unterwäsche mit brennender Kerze auf seinem Stahlhelm durchgeführt. Je nach Ausprägung der EK-Bewegung wurde das vom Betreffenden als Spaß oder Schikane empfunden.
  • „Kontrolle“: Es wurde untereinander darauf geachtet, dass der EK das Bandmaß ständig bei sich trug. Beim Ruf „Kontrolle“ musste es vorgezeigt werden. Ein nicht gezeigtes Bandmaß wurde mit einer Strafgebühr (Einzahlen in die EK-Kasse) geahndet.