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In Seite Rheinland:
"Die Integration der preußischen Rheinprovinz in den Staat Preußen gestaltete sich schwierig. Um sich von Preußen abzugrenzen, verstärkte sich in der linksrheinischen Kernregion der Rheinprovinz der Wunsch, die historischen Wurzeln als Basis für die gemeinsame Entwicklung zu untersuchen. Forschungseinrichtungen und regionalhistorische Vereinigungen wurden gegründet, die den historisierenden Begriff Rheinlande für ihre gemeinschaftliche Tradition verwendeten. Beispiele hierfür sind die Gründungen des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen 1829 in Düsseldorf, des Naturhistorischen Vereins der Rheinlande und Westfalens 1833 in Koblenz und der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde 1881 in Köln. Der Kunstverein in Düsseldorf gehört mit über 3000 Mitgliedern zu den größten derartigen Vereinen in Deutschland.[1]
Das 1920 von Hermann Aubin gegründete „Institut für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“ an der Universität Bonn, das ab 1925 von der preußischen Rheinprovinz mitfinanziert wurde, hatte ursprünglich den politischen Hintergrund, zur Abwehr französischer Ansprüche die landes- und kirchengeschichtlichen, alltagsgeschichtlichen, sozialen und linguistischen Gemeinschaftsstrukturen dieser übergreifenden Gebiete am Rhein zu erforschen. Das ehemalige Institut wird heute als „Abteilung der Rheinischen Landesgeschichte“ des Instituts für Geschichtswissenschaft an der Universität Bonn weitergeführt und arbeitet eng mit dem 1925 gegründeten „Verein für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande“ zusammen.[2]
Die Forschungsthemen auf diesem Gebiet haben sich bis heute wenig geändert, konzentrieren sich jedoch heute frei von diesen politischen Bestrebungen auf eine Kernregion des Rheins von Koblenz bis Düsseldorf unter Einbeziehung der Eifel. Verschiedene heimatkundliche Vereine, die ebenfalls in der Zeit der Weimarer Republik gegründet wurden, wirken eng mit diesem Institut auf dieser Verständnisbasis der Kernregion zusammen.
Eine gängige aktuelle Auslegung des „Rheinischen“ vom siedlungs- und kunsthistorischen Standpunkt bezieht sich auf ein Kerngebiet zwischen der Maas als Westgrenze, der Mosel als Süd- und dem Rhein als Ostgrenze. Etwas erweitert wird dieses Kerngebiet noch um die Areale südlich der Nahe bis zum Pfälzerwald und dem schmalen rechtsrheinischen Streifen zwischen Emmerich und dem Rheingau.
Der „Geschichtsforschungen Rheinlande Verlag“ gibt Einzelpublikationen zu speziellen Kulturdenkmälern des Gebiets heraus.
Im Zuge der nationalen Begeisterung nach dem von Frankreich erklärten Deutsch-Französischen Krieg 1870/71, der mit der Wiedereroberung linksrheinischer Oberrhein-Gebiete (Elsass und Lothringen) endete, kam die Tendenz auf, den Rheinlande-Begriff weiter auszulegen als es nach der altfränkisch-karolingischen Tradition sinnvoll wäre.
Der erste Reiseführer über die „Rheinlande“ von Karl Baedeker hatte in seiner Erstausgabe von 1854 den Oberrhein beiderseits bis Basel mit einbezogen. Dies wurde auch in den Folgeauflagen bis zum Ersten Weltkrieg beibehalten. In dieser gesamtrheinischen Tradition, die den Begriff auf den Fluss von der Quelle bis zur Mündung bezieht und das Elsass sowie Lothringen einbezieht, verstand sich auch die von Wilhelm Schäfer von 1900 bis 1922 herausgegebene Zeitschrift Die Rheinlande.[3] „Das Rheinische“ war für Schäfer schlichtweg „das Deutsche“. Nach 1918, als das Elsass und Lothringen wieder an Frankreich zurückfielen, wurden aus dem Ressentiment über den Versailler Vertrag heraus von großdeutsch denkenden Geografen wie Friedrich Metz die Oberrheinlande (Gebiete beiderseits des Oberrheins) als einheitlicher deutscher Kulturraum postuliert. Kritiker haben in diesem Verständnis eine Vorstufe zum nationalsozialistischen Ansatz gesehen, der mit dem „rheinischen Deutschland“ bzw. der „rheinischen Zone“ den ganzen Rhein als deutschen Kulturraum zwischen der Schweiz und den Niederlanden meinte (z. B. Gustav Braun, 1936). Diese Kritik ist aber wohl schon deshalb überzogen, weil sich im Elsass bis heute der spezifische, deutsche Dialekt erhalten hat und die über Jahrhunderte entwickelte Kultur mit Straßburg als eine der glänzendsten Reichsstädte ihre Wurzeln im alten deutschen Reich hat. Badener und Elsässer sind geografische Nachbarn und als Alemannen auch ethnisch-kulturell Verwandte. Insofern gibt es mehr ursprüngliche, gemeinsame kulturelle Verflechtungen und Identitäten als zu den französischen Kernlanden. Ähnliches trifft für das Gebiet des ehemaligen fürstbischoflichen Basel zu.
Nach 1945 spielen von Deutschland ausgehende völkische Konzepte keine Rolle mehr. Allerdings hat Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg erneut versucht, die seit dem 17. Jahrhundert (siehe Reunionspolitik) stets und nachhaltig verfolgte „natürliche“ Ostgrenze am Rhein „endlich“ zu etablieren (so die Forderung General de Gaulles im Herbst 1945 vor Offizieren, ähnlich wiederholt 1959). So hatten 1840 massive Forderungen mit Kriegsdrohungen Frankreichs in den deutschen Staaten zu Abwehr- und Verteidigungshaltungen geführt, verkörpert in dem Lied Die Wacht am Rhein. Seitens Deutschland waren territoriale Erweiterungen nach Westen nie beabsichtigt – ausgenommen der Sonderfall des im 17. Jahrhundert von Frankreich militärisch aus dem Reichsverband herausgebrochene Elsass-Lothringen, das von 1871 bis 1918/19 als Reichsland Elsaß-Lothringen zu Deutschland gehörte. Vom kunst- und kulturhistorischen Standpunkt hat sich jedoch, auch wenn der Oberrhein außen vor bleibt, eine großzügige Auslegung des Rheinlande-Begriffs gehalten. Der Geschichtliche Atlas der Rheinlande, dessen Vorläufer Geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz unter Wilhelm Fabricius 1897 bereits die Preußischen Rheinlande zum räumlichen Inhalt hatte, unterstützte in den von 1981 bis 2008 herausgegebenen Kartenblättern einen erweiterten Kulturraum beiderseits des Rheins zwischen der niederländischen Grenze und Mainz südlich bis in die Pfalz (Bayern) hinein. Untersucht wurden die verschiedensten kulturhistorischen Aspekte.
Auch Reclams Kunstführer „Rheinlande – Westfalen“ (Ausgabe von 1959) ist – unter Einbeziehung Rheinhessens – um eine ganzheitliche Erfassung der Baudenkmäler beiderseits des Rheins bis Mainz bemüht. Auch einige zeitgenössische Kunstreiseführer sehen das Gebiet um Mainz als Grenze zwischen zwei architekturgeschichtlich und ikonografisch unterschiedlichen Kunstregionen am Rhein.