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In Seite Der Schatten des Windes:

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Zafón erzählt in Der Schatten des Windes „eine Geschichte von einsamen Menschen, von Abwesenheiten und Verlust“, wie Daniel es einmal formuliert: Abwesenheit und Verlust eines Gebirges der Kultur im „Friedhof der Vergessenen Bücher“, Abwesenheit und Verlust von Daniels Mutter, von Claras Vater, von Freunden und Geliebten. Die Kraft der gemeinsamen Erinnerung und die Hartnäckigkeit, von der sie lebt, sind daher die Hauptthemen des Romans. Der Schatten des Windes ist ein historischer Roman, der dem Genre der Historiografischen Metafiktion angehört.

Die Geschichte Daniel Semperes ist ein Obertext, von dem aus nahezu regelmäßig und immer raumgreifender Nebenfiguren aus einer Zeit (etwa 1914–1935) vor der Geburt Daniels erzählen. In „seinen“ Abschnitten erzählt Daniel als Ich-Erzähler Daniel mit Ironie und Selbstironie, mit Metaphern und Zeugmata erlebnisnah, während in den historischen Exkursen (zusammen mehr als ein Drittel des Romans und der letzte im Umfang von einhundert Druckseiten!) eine faktenorientierte Darstellung der Neben-Erzähler dominiert. Diese liefern bis in die erzählte Zeit der Hauptfigur die Facetten zum Bild der Hintergründe der Ereignisse und sind stilistisch weitgehend einheitlich gestaltet. Die peu à peu zugänglichen Fakten sind nach dem Vorbild von Eduardo Mendozas La verdad sobre el caso Savolta (1975) wie in einem Kriminalroman montiert[1] und ergeben erst vom Ende des Romans betrachtet die Erklärung für die Verwicklungen.

Diese Doppelstruktur aus Obertext und zahlreichen Exkursen wird durch eine Textur analoger Ereignisse miteinander mystisch verbunden: Ähnlichkeiten in den um etwa vierzig Jahre versetzten Lebensläufen von Daniel und Julián, die charakterliche Ähnlichkeit zwischen Julián und Daniel, die Suche von Julián und Clara nach ihren Vätern, das Auftreten des Bücher vernichtenden Teufels, die Jungenfreundschaft, die mit der Liebe zur Schwester des Freundes endet, erste sexuelle Erfahrungen und die Katastrophe ihrer Entdeckung und der umwegreiche, aber längst nicht mehr zufällige Übergang von Juliáns Füller an Daniel.

Der Eindruck einer erstaunlichen Wiederholung der Ereignisse wird zusätzlich durch die wie beiläufig eingestreute Vorherbestimmung der Protagonisten verstärkt: So hat Daniel die Gewissheit, dass das die Ereignisse in Gang setzende Buch „seit Jahren, wahrscheinlich seit der Zeit vor meiner Geburt, hier auf mich gewartet hat.“ Auch Daniels Freundin Beatriz sagt: „Ich glaube, nichts geschieht aus Zufall. Im Grunde hat alles seinen geheimen Plan, auch wenn wir ihn nicht verstehen.“ Und Jacinta, die Kinderfrau der Aldayas, meint: „Niemand hatte es bemerkt, aber wie immer war das Maßgebliche bereits entschieden, bevor die Geschichte auch nur begonnen hatte.“

Diese Textur der Analogien, der Identitäten und des Fatalismus vermittelt den Eindruck einer überwältigenden Macht des Schicksals in einer männlich dominierten Gesellschaft[2], welche die Protagonisten auch nach vierzig Jahren noch zu einer Wiederholung der Geschichte zwingen kann. Der Zwang zur Wiederholung wird erst am Ende durch eine Koalition der Mutigen beendet, die gemeinsam den Tod des Henkers und die Heirat der Liebenden bewirken: Ein nicht-terroristischer Polizist, ein nachsichtiger Pater, ein verfolgter und sich selbst verfolgender Autor, ein beredter Geheimdienstmitarbeiter und die auf ihre Zukunft vertrauenden Liebenden treten zusammen dem Verbrechen und der Politik des Vergessens gegenüber und sprengen hierdurch das Kontinuum der Wiederholungen.