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In Seite Lateinische Aussprache:

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Die im Mittelalter und der frühen Neuzeit übliche Lateinaussprache hatte sich in vieler Hinsicht vom damals nur unzureichend bekannten klassischen Standard entfernt. Im 19. Jahrhundert wurde versucht, wesentliche Merkmale der wissenschaftlich erschlossenen klassischen Aussprache wieder zu ihrem Recht zu bringen. So war bereits gegen Anfang des 20. Jahrhunderts in weiten Teilen Deutschlands die klassisch-lateinische Aussprache des ⟨ᴄ⟩ bzw. c als [k] üblich, wie sie auch von Quintilian (1. Jh. n. Chr.) als Normaussprache bezeugt wird. Aufgrund eines Dekretes der Nationalsozialisten wurde in den dreißiger Jahren die Schul- und Universitätsaussprache des Lateinischen vorübergehend wieder „eingedeutscht“, so dass lateinische Wörter nach deutscher Orthographie- und Aussprachetradition gelesen wurden. Inzwischen hat die klassische Aussprache einiger Phoneme (so etwa ⟨ᴄ⟩ bzw. c als [k] und die getrennte, aber einsilbige Aussprache des Digraphen ⟨ᴀᴇ⟩ bzw. ae als [aɛ̯]) international und auch in Deutschland und der Schweiz an Verbreitung gewonnen. Eine durchgängig (z. B. bei der Aussprache des ⟨ᴠ⟩ neben Vokalen bzw. v als [w]) auf Originaltreue bedachte klassische Aussprache (pronuntiatus restitutus) ist allerdings weiterhin in der Minderheit.

Nach welcher Norm lateinische Texte ausgesprochen werden, richtet sich nach dem Zusammenhang und nach der persönlichen Entscheidung des Sprechers. Die hier beschriebene rekonstruierte klassische Aussprache hat insofern keine allgemeine Verbindlichkeit. Vielmehr ist z. B. bei liturgischen Texten und folglich auch bei geistlicher Vokalmusik die traditionelle deutsche oder auch – sofern der Komponist Italiener war/ist – die italienische Aussprache angebracht. Für den Schulunterricht wiederum ermöglicht die Schulaussprache einen Mittelweg zwischen dem klassischen Ideal und den Aussprachegewohnheiten des Lernenden. Diese Aussprachevarianten sind nicht „falsch“, sondern entspringen einer anderen Tradition, die der Weiterentwicklung des Lateinischen über zwei Jahrtausende zu einem fast ausschließlich schriftlich gebrauchten Idiom auch in der Angleichung der Aussprache an die Volkssprachen folgt.

Die rekonstruierte klassische Aussprache kann jedoch für sich in Anspruch nehmen, einen authentischeren Zugang zu klassischen lateinischen Texten zu bieten. Sie erleichtert zudem die internationale Kommunikation. Zwar wird gegen sie zuweilen angeführt, dass eine fehlerfreie Aussprache des Lateins angesichts der vielen Unsicherheiten ohnehin nicht zu erzielen und bei einer Sprache ohne muttersprachliche Sprecher nicht notwendig sei. Eine Annäherung ist allerdings ohne weiteres zu erreichen und für das Studium mehrerer universitärer Fächer (Indogermanistik, Klassische Philologie, Romanistik, Sprachwissenschaft, Alte Geschichte, Archäologie, Papyrologie und andere mehr) hilfreich.