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In Seite Obszönität:

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Wer nur das eigene Empfinden ausdrücken will, der könnte für das Obszöne mit den Vokabeln widerlich oder widerwärtig auskommen. Wer stattdessen das Wort obszön verwendet, zeigt, dass er sich auf eine verbindliche Werteordnung berufen will (Mitbedeutung: Verstoß gegen eine allgemein anerkannte Verhaltensregel; siehe auch: Tabu). Hier unterscheidet sich die Obszönität auch von der Vulgarität, die auch auf eine mangelnde Bildung des sich vulgär Verhaltenden zurückzuführen sein kann. Die Obszönität wird bewusster und zielgerichteter eingesetzt.

Ganz überwiegend handelt es sich darum, ob körperliche Erscheinungen wahrnehmbar werden dürfen, meist solche, über welche der Mensch nicht frei oder nicht ganz frei entscheiden kann: Räkeln, Gähnen, Niesen, Ausscheidungen jeder Richtung und jeder Form, sexuelle Merkmale, sexuelle Verhaltensweisen, Wunden, Krankheiten, besondere Körperformen (angeboren oder erworben). Sowohl Anziehendes als auch Abstoßendes konnte und kann als obszön gelten. In Japan z. B. verursacht der Wunsch, Urinier- und Stuhlganggeräusche durch ständiges Betätigen der Klosettspülung möglichst zu überdecken, hohen Wasserverbrauch. Beim Volk der Tuareg wiederum bedecken die Männer ihren Mund mit einem Schleier. Für sie gilt das Zeigen dieses Körperteiles als obszön.

Welche Gefühle einbezogen sind und wo die Verletzung beginnt, hängt vom Empfinden und den Gewohnheiten der Beteiligten ab. Diese Bedingungen wiederum richten sich nach Bildung, Kultur, Religion, Moral und ähnlichen Wertvorstellungen, die entsprechend ethnischer oder gesellschaftlicher Zugehörigkeit, sogar individuell verschieden sein können. Auch historisch kann dieselbe Erscheinung in der einen Epoche abgelehnt, in der anderen hingenommen oder sogar als Mode gepflegt worden sein.

Der bekannte Ausspruch „Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmacket?“ (oft, aber falsch Martin Luther zugeschrieben) ist ein Beispiel dafür.

Die Empfindung „obszön“ kann von Wahrnehmungen jeder Art ausgelöst werden:

  • eine Person mit fraglichen Merkmalen (z. B. ein sichtbar entstellter Mensch im öffentlichen Bad)
  • Kleidung, wenn eine Person gewisse Körperteile sichtbar (Haupthaar, sekundäre Geschlechtsmerkmale, Nabel, Knie, Knöchel) oder unsichtbar (wie das Verhüllen des gesamten Körpers beim Tragen der Burka) werden lässt
  • Verhaltensweisen (Kuss in der Öffentlichkeit, exhibitionistische Entblößung)
  • gesprochener oder geschriebener Text (Witz, Schimpfwort)
  • eine Geste („Stinkefinger“)
  • Bilder jeder Art von der Wandkritzelei über die Werbeanzeige bis zum großflächigen Plakat
  • Gegenstände, die eine Verletzung ausmachen oder ihre Ursache sein können (z. B. Knochen, Waffen, Schneidewerkzeuge, Narben als Schmuck, Metallspitzen auf der Kleidung)

Es ist nicht möglich, die Grenze zwischen „obszön“ und „nicht obszön“ nach sachlichen Merkmalen zu bestimmen. Die eigentliche Schwelle liegt im subjektiven Empfinden des möglicherweise Verletzten. Die Schwelle kann ohne verletzende Absicht überschritten werden, wenn für die Beteiligten unterschiedliche Werte gelten. Manche überschreiten die Schwelle mit Vorbedacht, um den Anderen an seinen Werten zu packen oder um die Werte des Anderen anzufechten. Obszönität bedeutet immer Grenzverletzung, auch Tabu-Bruch und (in einem weiteren Sinne) Kampf suchen. Auch horrende soziale Ungleichheit kann als obszön empfunden und als große moralische, wirtschaftliche und politische Ungerechtigkeit und Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie angeklagt werden.[1][2]