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In Seite Hermann Burger:

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Hermann Burgers erste Publikation überhaupt war ein Aufsatz in der vierten Ausgabe des «Zürcher Student» 1967. Burger hatte damals gerade sein Studienfach von Architektur zu Germanistik gewechselt und beschäftigte sich in «Schreiben Sie, trotz Germanistik?» mit der Situation dessen, der literaturhistorisch gebildet ist und zugleich selbst als Schriftsteller in Erscheinung treten will. Dieses Dilemma des poeta doctus wurde für Burger zu einem prägenden Thema, das auch in diversen Prosatexten verhandelt wird. So arbeitete er beispielsweise 1970 an dem Roman Lokalbericht. Ich-Erzähler in dem Fragment gebliebenen Werk ist ein Doktorand der Literaturwissenschaft, der sich nebenher als Romancier versucht und grandios scheitert.[1] In Brenner 1: Brunsleben kehrt Burger die Konstellation um und imaginiert sich statt als gelehrten Dichter als unbelesenen Tabakkaufmann. Auch in der Frankfurter Poetikvorlesung sowie dem St. Galler Vortrag über wissenschaftliche und poetische Sprache greift Burger diese Themen auf und bezieht sich auf seinen Aufsatz von 1967.

Neben poetologischen Überlegungen beschäftigen sich Hermann Burgers Texte immer wieder auch mit Aussenseitern der Gesellschaft, die er als Einzelgänger würdigt. Dieses Schicksal teilte Burger mit seinen Figuren – sei es als musisch hoch talentiertes und gleichzeitig sehr sensibles Kind, das unter seiner als extrem kühl empfundenen Mutter-Beziehung litt, sei es als unter schweren Depressionen leidender Schriftsteller, für den Schreiben ein lebenserhaltender Prozess war.

Die Figuren seiner Romane und Erzählungen versuchen auf sprachlich virtuose und detailverliebte Weise ihre Lebenssituation – zumeist die eines kranken Menschen – darzulegen. In Burgers Romandebüt Schilten von 1976 geschieht das in Briefform, Adressat ist die «Inspektorenkonferenz»: Der Lehrer von Schilten hätte der Konferenz über den Unterricht und das Fortkommen der Schulkinder zu berichten. Da er anstelle eines Pausenplatzes jedoch einen Friedhof vor dem Schulhaus vorfindet, erzählt er mit enormer Sachkunde zusehends mehr von Totenkult, Friedhöfen und Abdankungen als vom Schulbetrieb. Burger vermischt in Schilten und anderen Texten Realität und Fiktion sowie Autobiographisches mit Erfundenem. Diese Technik bezeichnete er als Methode der «schleifenden Schnitte».[2] Als literarische Vorbilder können unter anderen Franz Kafka und Thomas Bernhard gelten.

Der 1982 erschienene Roman Die Künstliche Mutter[3] war seiner Ehefrau gewidmet und trägt in der Erstausgabe die Widmung «Für Anne Marie». 1988 erfolgte ein Wechsel vom langjährigen Verleger S. Fischer zum Suhrkamp Verlag.

Sein früher Förderer, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, schrieb wenige Tage nach seinem Tod, am 3. März 1989, in einem Nachruf: «Hermann Burger war ein Artist, der immer aufs Ganze ging, der sich nicht geschont hat. Er war ein Mensch mit einer grossen Sehnsucht nach dem Glück. Die deutsche Literatur hat einen ihrer originellsten Sprachkünstler verloren.» Zu Burgers Schreibstil schrieb Reich-Ranicki: «Zwischen einer zuweilen schon hypertrophen Beredsamkeit und einer mitunter erschreckenden Sprachlosigkeit schwankend, artikulierte er sein Lebensgefühl».[4]