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In Seite Hans Bernhard Reichow:

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Insbesondere wegen des Titels Die autogerechte Stadt wird Reichow als Propagandist für die folgende Phase westdeutscher Stadtentwicklung missverstanden. Der Wiederaufbau deutscher Städte orientierte sich überwiegend an der 1933 aufgestellten Charta von Athen und sah eine Funktionstrennung und räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten vor. Der Neubau verdichteter Siedlungsformen an den Rändern der Städte führte bereits Ende 1950er Jahre zu einem starken Anstieg des Pendleraufkommens, dem die Städte mit ihren häufig aus dem 19. Jahrhundert stammenden Strukturen nicht gewachsen waren. Anders als der Titel des Buches heute suggeriert, schlug Reichow keineswegs den forcierten Ausbau innerstädtischer Straßen vor. So kritisierte Reichow ausdrücklich, „die autogerechte Stadt vornehmlich mit Verkehrswegen in verschiedenen Ebenen zu planen, wie Le Corbusier es fordert“ (S. 28). Ihm schwebte „optimales Fahren in dauernd leichtem Fluß“ (S. 28) vor. Anstelle der großen „chirurgischen Eingriffe“ von innerstädtischen Auto-Schnellstraßen (S. 5), interessierten ihn kleine Eingriffe. So schlug er die gezielte Reduktion städtischer „Knotenpunkte“ vor, die aus seiner Sicht für die Mehrzahl von Unfällen wie auch für die Behinderung des Verkehrsflusses verantwortlich waren. Er propagierte die Umwandlung von Kreuzungen in versetzt angeordnete Einmündungen, ein „Bordschwellen-Regulativ“, das ebenso wie die gekurvten Straßen zu verminderten Geschwindigkeiten und gleichzeitig einem „Minimum an Stops, Lärm und Reglements“ führen sollte. Denn auch Ampeln und die Reglementierung durch Schilder hielt er für verfehlt. Sein Verkehrssystem verstand sich als „differenziert nach Verkehrsarten, Fuß-, Rad- und Fahrwegen“ sowie nach der „bei jedem Knoten wechselnden Breite der Straßen und Wege“. Nicht zuletzt die erhebliche Zahl von Verkehrstoten (Reichow nennt im Vorwort mit 12.000 Menschen pro Jahr eine Zahl aus dem Jahr 1953, bis 1970 stieg sie in Deutschland bis auf 19.000, heute sind es etwa 3.400 pro Jahr), sprach aus seiner Sicht für eine grundlegende Überarbeitung des städtischen Verkehrssystems. Mit dem Konzept der „autogerechten Stadt“, das primär darauf abzielte, dem Auto Hindernisse jeder Art (Bauten, Fußgänger, Straßenbahnen) aus dem Weg zu räumen, hat Reichows Schrift wenig gemein. Dennoch setzte sich diese Art von „autogerechter Planung“ in Städtebau und Verkehrsplanung der 1960er Jahre vermehrt durch. Ab 1970 wurde diese Konzeption heftig kritisiert und als Beispiel misslungenen Städtebaus begriffen. Fragwürdig an Reichows „autogerechter Stadt“ ist aus heutiger Sicht vor allem sein permanenter Bezug auf biologistische Ideale, die er als „organisch“ und damit „naturwüchsig“ vorstellt. Damit einher ging die Vorstellung von der Großstadt als ungesunder Großeinheit, als Moloch, die es zu heilen, durch Ordnung und Städtebau in übersichtliche Nachbarschaften zu gliedern gelte. Dieser Impuls war bereits bei den Stadtreformern der englischen Gartenstädte und den Städtebauern der 1920er Jahre anzutreffen. Dies mag eine Quelle für Reichow gewesen sein, doch vor allem schloss er an die von ihm mitgeprägte völkisch und führerstaatlich motivierte kleinteilige „Organik“ im nationalsozialistischen Städtebaudiskurs an. Durchmischung, Überlagerung und Chaos, die städtisches Leben prägen und attraktiv machen, kommen in einer solchen Argumentation nicht vor.