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In Seite Gesprächspsychotherapie:

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In der Theorie wird davon ausgegangen, dass sich psychische Störungen entwickeln, wenn bestimmte Erfahrungen, die wiederum mit bestimmten Gefühlen verbunden sind, nicht oder nicht vollständig oder nur verzerrt gemacht werden: Gesprächspsychotherapeuten sprechen von Inkongruenz, wenn die Erfahrungen nicht angemessen im reflexiven Bewusstsein symbolisiert sind, und zwar weil diese Erfahrungen unvereinbar mit dem Selbstkonzept sind und „abgewehrt“, d. h., im Bewusstsein „verleugnet“ oder „verzerrt“ werden. Der Vorgang der »Abwehr« bestimmter Gefühle und Erfahrungen ist in der Regel nicht bewusst, wird aber häufig gespürt in einer diffusen, scheinbar unbegründeten Anspannung oder Angst, deren Herkunft und Sinn den Betroffenen verschlossen bleibt.

Die gesprächspsychotherapeutische Entwicklungstheorie geht heute[1] davon aus, dass nur Erfahrungen und die mit ihnen verknüpften Bewertungen bzw. Gefühle Bestandteil des Selbst bzw. des Selbstkonzepts werden können, die von den wichtigen Bezugspersonen als Erfahrungen und Gefühle des Kindes empathisch erkannt und bedingungsfrei emotional positiv als Erfahrungen des Kindes aufgenommen werden.

Als Beispiel wird folgender Fall beschrieben: Ein Kind, dessen Mutter – aus welchen Gründen auch immer – es nicht aushält, wenn ihr Kind Wutanfälle bekommt und diese z. B. bestraft, wird seine emotionale Erfahrung – »es macht mich wütend, wenn...« – nicht in sein Selbst integrieren können. Ist das Kind später Patient, wird er z. B. dem Therapeuten erzählen, dass er Angst davor hat, Wut zu spüren, denn Wütendsein sei für ihn gleichbedeutend mit einem Bösesein, das bestraft werden müsse. Rogers hat vor allem die Erfahrungen als Kind und die daraus entwickelten eigenen Bewertungsmaßstäbe, wie man gerne wäre (Selbstideal) oder wie man sein und erleben sollte, als entscheidenden Faktor betont.

Die Entstehung von psychischen Störungen mit der Folge einer seelischen Erkrankung ist in der Regel viel komplexer als hier dargestellt werden kann. Im therapeutischen Prozess soll es dem Patienten zunehmend möglich sein, bisher nicht oder nur unvollständig zugelassene emotionale Erfahrungen als seine Erfahrungen zu erkennen, die zu seinem Selbst gehören. Dazu ist es notwendig, diese auch zu symbolisieren. Das wird möglich, wenn sich zwischen dem Therapeuten und dem Patienten eine Beziehung entwickelt, die auf Seiten des Therapeuten gekennzeichnet ist durch Empathie, Kongruenz und Bedingungsfreie Positive Beachtung der Erfahrungen des Patienten und wenn der Patient dieses Beziehungsangebot des Therapeuten auch so wahr- und annehmen kann.

Rogers betont weniger die Interaktion der sog. Instanzen (Ich, Über-Ich und Es) im Erleben und mehr die Entwicklung des Selbst bzw. Selbstkonzepts und dessen Einfluss auf die Erfahrung. Er geht von einem dem Menschen innewohnenden Potential zur eigenen Entwicklung (= Aktualisierungstendenz und Selbstaktualisierungstendenz) aus und relativiert damit die triebtheoretischen Annahmen Freuds (psychoanalytische Triebtheorie). Er sieht in der Aktualisierungstendenz die maßgebliche Entwicklungskraft der Persönlichkeit und relativiert damit auch die Bedeutung von – außen angeleiteten – Lernprozessen (S-R-Modell. → Lerntheorie), die im Behaviorismus als maßgebliche Entwicklungsfaktoren angesehen werden.

Rogers’ persönlichkeits- und entwicklungstheoretische Grundannahmen werden durch später entwickelte psychologische Theorien gestützt und ergänzt. Das gilt z. B. sowohl für die Erkenntnisse der Bindungstheorie[2] als auch für die der Systemtheorie.[3]

Die von Rogers auf empirischer Grundlage entwickelte therapietheoretische These, dass der Erfolg einer Psychotherapie im Wesentlichen von einer bestimmten Qualität der therapeutischen Beziehung abhängt, wurde von der empirischen Psychotherapieforschung immer und immer wieder bestätigt[4] und gilt inzwischen als allgemein anerkannte Lehrmeinung.[5][6]