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In Seite Großhirnrinde:

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Das menschliche Gehirn ist keine Neuentwicklung der Natur. Es hat sich wie alle anderen Organe aus einfachen Formen entwickelt. Das Nervensystem entwickelt sich aus einer sehr einfachen Struktur, dem äußeren Keimblatt (Ektoderm). Dass ein Organ der Informationsverarbeitung aus der äußeren Grenzschicht entsteht, ist leicht verständlich, weil hier die Reize aus der Umwelt auftreffen. Erst im Lauf der Evolution wurden die empfindlichen Nervenverbände in die Tiefe des Neuralrohrs verlegt, weil sie dort besser geschützt sind. Die Verbindungen zur Außenwelt blieben über die nun spezialisierten Sinnesorgane bestehen.

Mit der Entstehung spezialisierter Sinnesorgane ist die Bildung einer Nervenzentrale verbunden, die den ganzen Körper einheitlich nach den Sinneseindrücken steuern kann. Weil sich schon früh in der Geschichte der Wirbeltiere Augen, Ohren und chemische Sinne (Geschmack, Geruch) ausbilden, ist das Gehirn aller Wirbeltiere in gleicher Art zur zentralen Integration dieser Sinne konstruiert.

Das Endhirn war zunächst Verarbeitungszentrum für das Geruchsorgan. Weil der Geruchssinn ein allgemeines Warn- und Reizsystem hoher Empfindlichkeit ist, aber wenig über die räumliche Situation bzw. den Ort der Reizquelle aussagt, ist für das Riechhirn eine Verbindung mit den optischen und akustischen Zentren des Mittelhirns notwendig, mit der alle Sinnesqualitäten auf einer gemeinsamen Ebene vereinigt werden.

Diese gemeinsame Ebene entsteht schon bei den Reptilien aus einer Erweiterung des Endhirns als Telencephalon oder rudimentärer Cortex. Bereits bei Fröschen und Salamandern ist diese Hirnstruktur für die Integration der verschiedenartigen Reize angelegt. Für die Umschaltung der Seh-, Tast- und Hörwelt vom Mittelhirn auf das Endhirn entwickelt sich ein Teil des Vorderhirns, das Zwischenhirn. Aus ihm entsteht der Thalamus, der aus mehreren Kerngruppen die spezifischen Signale des Mittelhirns zu spezifischen Regionen der Großhirnrinde sendet. Man bezeichnet diese Anordnung als ein Projektionssystem, die Anatomen nannten den Thalamus das „Tor zum Bewusstsein“.

Mit dem Wegfall des Schuppenkleides der Fische bzw. der Hornschuppen der Reptilien wurde bei den Säugetieren die ganze Haut zu einem empfindlichen Sinnesorgan, das ebenso über Projektionsbahnen im Cortex mit den übrigen Sinnesqualitäten in ganzheitliche Verbindung gelangt.

Eine Nervenzentrale, in der alle Qualitäten der Umweltsignale zusammengeführt werden, wäre nicht sinnvoll, wenn in ihr keine Befehle für die Reaktionen des Organismus gebildet und an die ausführenden Organe geleitet werden könnten. Weil das Geruchsorgan von Anfang an einen steuernden Zugriff auf komplexe Verhaltensweisen hat, kann das zum Integrationszentrum aller Sinne erweiterte Riechhirn auf diese Steuerungsbahnen zurückgreifen, um aus der Vereinheitlichung aller Empfindungen ganzheitliche Verhaltensschritte zu entwickeln.

Diese Integrationsleistung des Neocortex, die alle Sinne zu einem Ganzen verbindet und sinnvolle Verhaltensmuster daraus herstellt, ermöglicht bereits Ratten, Katzen usw. ein intelligentes Verhalten, das bei Insekten oder einfachen Organismen so nicht vorkommt. Dabei zeigt sich, dass schon Vögel und Mäuse ihr integratives Zentrum, die Hirnrinde, nicht nur als Kommandozentrale, sondern auch als besonders leistungsfähigen Informationsspeicher (Gedächtnis) nutzen können (siehe auch: Gehirn und Kognition der Vögel). Eine Fliege lernt es nie, den Zusammenstoß mit einer Fensterscheibe zu vermeiden, während ein Vogel nach einigen Erfahrungen einen vorsichtigen Umgang mit der durchsichtigen Wand lernt.

Nur Tiere, die über einen Cortex verfügen, können auch dressiert werden, das heißt, sie entwickeln ein Gedächtnis für sprachliche Anweisungen, die auch über die angeborenen Verhaltensmuster dominieren können. Deutlich ist diese Lernfähigkeit bei den Delphinen, die als Säugetiere mit einem mächtigen Cortex ausgestattet und gut dressierbar sind, während die relativ großhirnarmen Haie zur Dressur wenig geeignet sind.

Mit der Entwicklung des Cortex kommt zunehmend eine spielerische Phase der Jungtiere zum Vorschein, die als Lernphase der Hirnrinde zu verstehen ist und uns den Eindruck vermittelt, dass diese Tiere (z. B. Hunde, Katzen usw.) ähnliche geistige Zustände wie die Menschen empfinden.

Eine mächtige Entwicklung der Großhirnrinde wurde bei den Affen durch die Sonderstellung der Hände ausgelöst. Als bei den Säugetieren noch alle vier Extremitäten ausschließlich zur Fortbewegung dienten, genügten einfache Reflexmuster auf Rückenmarksebene dazu, den harmonischen Laufrhythmus zu steuern. Bei den Primaten geschieht ein Wandel der Fortbewegung, vom Vierfüßler zum Klettertier. Damit kommt es zu einer Umkonstruktion der vorderen Extremitäten, die zu Greifinstrumenten werden. Das alte Bewegungsmuster der Vierfüßler ist damit überfordert, aber die Großhirnrinde kann sich durch massives Wachstum den neuen Anforderungen der Handmotorik anpassen.

Zusätzlich ist bei den Säugern das Kleinhirn in Verbindung mit dem Gleichgewichtsorgan für die Ausführung komplizierter Bewegungsabläufe in das motorische System integriert. Aufrechtes Laufen auf zwei Beinen ist ohne diese Hirnstruktur nicht möglich. Die Zusammenarbeit zwischen Cortex und Kleinhirn lässt sich am Beispiel des Radfahrens so erklären: Die Entscheidung über Rechtskurve oder Bremsvorgang trifft der Cortex, während die Feinarbeit der Gewichtsverlagerung und viele automatische Bewegungsimpulse im Kleinhirn bearbeitet werden.

Bei den Affen hat sich die Stellung der Augen im Gesichtsfeld so geändert, dass immer ein räumliches Bild der Umwelt gesehen wird. Für die zentrale Auswertung der binokularen Bilder müssen neue Analysatoren in das System integriert werden, und auch dabei erweist sich die Großhirnrinde als anpassungsfähiges Integrationszentrum mit riesigem Speichervermögen für komplexe Information.

Mit dieser Ausstattung war spätestens Homo erectus für den aufrechten Gang in der Savanne gut gerüstet und konnte den Geruchssinn zu Gunsten der Fernsinne (Augen und Ohren) vernachlässigen. Der Cortex passte sich seinen neuen Anforderungen an, indem er seine Fläche durch Faltenbildung vergrößerte.

So weit ist das biologische Standardwissen detailliert erforscht und beweist, dass die Großhirnrinde von Anfang an für die Herstellung einer ganzheitlich vereinigten Projektion aller Umweltsignale und einer daraus basierenden Verhaltenssteuerung spezialisiert war und diese Aufgabe in der Evolution immer stärker ausdehnen konnte. Ein bisher noch unverstandener Speichermechanismus ist verantwortlich für die Gedächtnisfunktion dieser Integrationszentrale, die den Lebewesen neben der starren, genetischen Anpassung eine flexible Anpassung an beliebige neue Situationen ermöglicht.

Die ersten Menschen hatten mit diesem Gedächtnisorgan und einem verbesserten Kehlkopf die Grundlage für die Verfeinerung der äffischen Laut- und Gebärdensprache. Die veränderte Daumenstellung erleichterte den Gebrauch von Werkzeugen und sorgte für weitere Ausdehnung der Hirnrindentätigkeit.

Schon bei der Herstellung von Faustkeilen mit scharfen Klingen ergab sich eine Aufgabenteilung für die beiden Hände, indem eine Hand zum Festhalten und die zweite Hand für gestaltende Feinarbeiten bevorzugt wurden. Viele Tätigkeiten mit Werkzeugen fördern eine differenzierte Spezialisierung der Hände, und spätestens beim systematischen Training des Schreibens ist eine dominante Hand kaum noch zu vermeiden.

Dementsprechend unterscheiden sich die beiden Seiten der Hirnrinde im Lauf der Evolution und der individuellen Entwicklung zunehmend, und nur auf der Seite der schreibenden Hand wird zusammen mit den Buchstabenverbindungen auch die Artikulation der Sprache gründlich trainiert. Weil die Nervenbahn des rechten, schreibenden Armes im linken Cortex beginnt, liegen auch die Sprachzentren im linken Großhirn, das deshalb als die dominante Hemisphäre bezeichnet wird.

Die Evolution des Cortex ist nachvollziehbar. Es fehlt nur noch eine wissenschaftlich einleuchtende Erklärung für die Leistungsfähigkeit, die sich in den grauen Falten unter der Schädeldecke als Gedächtnis und Bewusstsein erleben und in Sprache ausdrücken lässt.